Helmut Kohl (†87)
Der ewige Kanzler

Helmut Kohl ist am Freitag in seinem Haus in Ludwigshafen gestorben. Der «ewige Kanzler» war der Vater der deutschen Einheit und Wegbereiter der Europäischen Union.
Publiziert: 16.06.2017 um 23:52 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:37 Uhr
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Februar 1990: «Helmut, Helmut!» Wahlkampf in Ostdeutschland, damals noch DDR: Zehntausende jubeln Kohl zu. Er ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt. Acht Monate später hat er die beiden Deutschland vereint.
Foto: Heinz Wieseler
Johannes von Dohnanyi

Der Tod von Helmut Kohl hat Deutschland geschockt. Obwohl sein schlechter Gesundheitszustand seit 2008 bekannt war, galt der Christdemokrat aus dem Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim als schier unverwüstlich. Seine Sprechfähigkeit war seit einem schweren Sturz stark eingeschränkt. Zu den wenigen öffentlichen Auftritten musste der promovierte Historiker im Rollstuhl geschoben werden. Doch trotz seines unrühmlichen politischen Endes infolge der Parteispendenaffäre 1999 und familiärer Verfehlungen blieb er den Deutschen als «ewiger Kanzler» und Vater der deutschen Einheit in dankbarer Erinnerung.

Das Deutschland, in dem Kohl seine politische Karriere begann, war von bräsiger Provinzialität geprägt. Doch als er 1969, auf dem Höhepunkt der Studentenbewegung, zum Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz gewählt wurde, schien der behäbige Christdemokrat wie aus der Zeit gefallen.

Was kaum einer bemerkte: Es waren die Geburtsjahre des auf Vertrauen, engen Freundschaften und innerparteilichem Filz aufgebauten «Systems Kohl», mit dem er seine Christdemokraten wie ein absolutistischer Feudalherrscher führte. Und es war genau diese bedingungslos eingeforderte Disziplin seiner Partei, die Helmut Kohl im Winter 1989 den Rücken für den grössten Politpoker der europäischen Nachkriegsgeschichte freihielt.

Es war im siebten Jahr seiner Kanzlerschaft und 40 Jahre nach der Gründung des ostdeutschen «Arbeiter-und-Bauern-Staats», als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel. Gemeinsam mit US-Präsident George Bush senior und Kremlchef Michail Gorbatschow setzte Helmut Kohl – gegen den Widerstand der europäischen Partner – die Wiedervereinigung der beiden Deutschlands durch. Zwischen Kohl und Gorbatschow entstand das Vertrauen einer tiefen Männerfreundschaft, die schliesslich zur Einwilligung in den Rückzug der Sowjets aus der ehemaligen DDR führen sollte.

Die Verwandlung des europäischen Wirtschaftsraums in die Europäische Union und der Verzicht auf die D-Mark zugunsten des Euro waren der Preis Deutschlands an die Partner. Auch diese Zugeständnisse waren, allen heutigen Problemen zum Trotz, ein historischer Glücksfall.

Dann kam der Absturz. Zuerst musste der «ewige Kanzler» nach 16 Jahren am Ruder sich bei der Bundestagswahl 1998 dem Sozialdemokraten Gerhard Schröder geschlagen geben. Dann flog auf, dass der eigentlich grundehrliche Kanzler sich zur Einrichtung schwarzer Parteikassen in der Schweiz und Liechtenstein hatte verführen lassen. Kohl verweigerte die Benennung seiner Geldgeber, weil er ihnen sein Ehrenwort gegeben hatte.

Nach der Abwahl verlor Kohl so auch seinen guten Ruf. Dass es ausgerechnet die von ihm aus Ostberlin ins Kabinett geholte Angela Merkel war, die den innerparteilichen Sturz des Noch-Parteichefs einleitete, hat Kohl stets als Verrat betrachtet. Deutschland habe einen «grossen Patrioten und Staatsmann verloren», hiess es am Freitagnachmittag eher unterkühlt aus dem Berliner Kanzleramt.

Gerhard Schröder, sein einstiger Gegner, würdigte Helmut Kohl gestern als «grossen Patrioten und Europäer». «Obwohl wir in vielen politischen Fragen weit auseinander lagen, hatte und habe ich für seine historische Leistung jederzeit grössten Respekt.» 

Am schwersten dürfte Helmut Kohl in den letzten Lebensjahren unter einer Reihe persönlicher Schicksalsschläge gelitten haben. Im gemeinsamen Haus in Oggersheim nahm sich seine an einer seltenen Krankheit leidende Frau Hannelore das Leben. Die beiden Söhne Walter und Peter brachen mit ihm nach seiner Heirat mit der ehemaligen Mitarbeiterin und 34 Jahre jüngeren Maike Richter.

Zu einer Versöhnung der Familie ist es nicht mehr gekommen. 

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