Diese Bilder sind nichts für schwache Nerven. Beide Videos beginnen mit dem Blick auf schneebedeckte Gipfel. Darüber strahlt blau der Himmel. Eine Kamera schaut aus dem Cockpit des Hubschraubers, die andere ist am Ultraleicht-Flugzeug angebracht. Plötzlich kommt Richtung Heli ein Geschoss angeflogen, trifft diesen. Der Hubschrauber beginnt zu trudeln. Das nimmt auch die Kamera im Flugi auf. Binnen Sekunden kommt es zur Tragödie, die sieben Menschen das Leben kosten wird.
Fünf Monate nach dem verheerenden Crash im Aostatal (I) zwischen einem Hubschrauber für Heliski und einem französischen Schulflugzeug entdecken Beamte der Guardia di Finanza am Unfallort zwei Minikameras. Die Aufnahmen sind nicht beschädigt. Sie geben Auskunft über den Horror-Crash an jenem frühen Freitagnachmittag.
Vom französischen Flugplatz Megève aus startet eine SAN Jodel D.140. Auf dem Lehrprogramm steht eine Gletscherlandung in 3000 Metern Höhe. Vielleicht ist die Landung auch eine spontane Idee des Fluglehrers. Dem Kontrollturm des regionalen Flugplatzes Saint-Christophe jedenfalls liegt kein Flugplan von Philippe M.* (64) vor.
Der Fluglehrer setzt sich in die hintere Reihe des kleinen Fliegers und lässt die beiden Schüler ans Steuer. Es sind dies ein Franzose (†59) und ein Belgier (†51). Ihr Ziel ist der Rutor-Gletscher im italienischen Grenzgebiet. Um 14.18 Uhr steigt genau dort ein Hubschrauber für Heliski auf.
Heli-Piloten hatten keine Chance
Die Piloten Maurizio S.* (†53) und Frank H.* (49) haben eine Gruppe deutscher Wintersportler an Bord. Sie können nicht ausweichen. Das Ultraleichtflugzeug und der Hubschrauber krachen zusammen – und die Bordkamera des Helikopters filmt alles mit. Die Bilanz des Dramas: sieben Tote und zwei Schwerverletzte, darunter der französische Fluglehrer (BLICK berichtete).
«Wir hatten grad zur Landung angesetzt, als plötzlich der Helikopter vor uns auftaucht», erzählt dieser der Guardia di Finanza von Entrèves (I) vom Spitalbett aus, «wir haben den Heli nicht gesehen.» Gegen den Piloten ermittelt die italienische Staatsanwaltschaft wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung. Nach dem Spitalaufenthalt musste Philippe M. in italienische U-Haft.
Möglicherweise muss sich der Franzose wegen des alpinen Horror-Crashs in der Mont-Blanc-Region vor Gericht verantworten. Denn hier sei man mit grossem Leichtsinn vorgegangen. Und es wäre nicht das erste Mal. Da sind sich die Experten einig.
In den Bergen geht es zu wie auf einer Autobahn
«Wir hatten schon Dutzende brenzlige Situationen, wo Helis mit Kleinflugzeugen zu kollidieren drohten», sagt Guido Azzalea, Präsident der Bergführer von La Thuile (I). «Französische Flugzeuge aus Megève, die dann auf dem Rutor landen – ohne die italienischen Behörden vorab zu informieren. Wir haben schon so oft Anzeige erstattet. Es hat nichts geholfen. Niemand hat Vorkehrungen getroffen.»
Auch Bergführer Andrea Perrod warnt: «In dieser Zeit haben wir andauernd französische Flugzeuge am Gletscher. Sie kreisen, landen, heben wieder ab – bis zu drei Mal am Tag. Für diese Piloten ist es eine Übung. Für uns, die wir Heliski betreiben, ist es einfach nur gefährlich.»
Paolo Cognetti schüttelt nur noch den Kopf. «Bei schönem Wetter geht es in den Bergen zu wie auf der Autobahn. Viel zu viel Verkehr in der Luft», sagt der italienische Buchautor und Bergsteiger dem «Quotidiano». Das Flugchaos sei schuld an diesem Unglück.
* Namen der Redaktion bekannt