Von September 2016 bis diesen April war der russische Balletttänzer Igor Selenski (52) der Direktor des Bayerischen Staatsballetts in München. Dann räumte er seinen Posten. Er müsse eine «familiäre Angelegenheit» regeln, hiess es seitens der Staatsoper.
Über Selenskis Nebentätigkeiten für eine putinnahe russische Kulturerbe-Stiftung wurde in der Mitteilung allerdings kein Wort verloren.
Wie Recherchen des «Spiegel» und der Rechercheplattform «IStories» nun zeigen, war seine Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin (69) aber noch grösser als bisher angenommen: Selenski führt offenbar eine Beziehung mit Putins jüngster ehelicher Tochter Katerina Tichonowa (35).
Balletttänzer erhält wegen Beziehung Sonderbehandlung
Zumindest deuten eine Reihe von Unterlagen, die dem «Spiegel» vorliegen, auf ein Verhältnis zwischen den beiden hin. Dazu gehören E-Mails von Tichonowa, zahlreiche Passkopien und Passagierdaten des Flughafens Moskau-Wnukowo, die von mehreren Reisen von und nach München zeugen. Auch eine Kopie von Selenskis Pass aus dem Jahr 2013 befindet sich unter den Dokumenten.
Die logische Schlussfolgerung des deutschen Magazins: Tichonowa und Selenski reisten gemeinsam – oder zumindest zueinander. Mindestens zweimal buchte sogar ein Bodyguard der Putin-Tochter die Flüge von Selenski. Einmal am 24. Februar 2020 von München nach Moskau und am 2. März zurück, und noch mal am 9. März 2020 nach Moskau und am 15. März zurück.
Ein ehemaliger Ballett-Kollege von Selenski sagte gegenüber dem «Spiegel», dass der Künstler schon früh eine Sonderbehandlung genossen habe. Der Ex-Tänzer «soll ja auch mal was mit Putins Tochter gehabt haben».
Für den anonymen Tänzer ist dies der einzige Grund, weshalb Selenski bereits früh in der Karriere am renommierten Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater arbeiten konnte. «Selenski war noch sehr jung. Es gab viele gute Leute, die diese Stelle damals auch bekommen hätten.»
Ist Putin 2017 Opa der Selenski-Tochter geworden?
Als Selenski 2016 schliesslich zum Direktor des Bayrischen Staatsballetts berufen wurde, trennte sich Tichonowa von ihrem Oligarchen-Ehemann Kirill Shamalov (40). Zwischen 2017 und 2019 soll Putin-Tochter Tichonowa immer wieder nach München geflogen sein. Laut «Spiegel» war sie manchmal sogar mehrmals pro Monat zu Besuch in der bayrischen Hauptstadt.
2018 wurde Selenski dann in den Aufsichtsrat des nationalen Kulturerbefonds berufen, die unter anderem die 2014 annektierte Halbinsel Krim zu einem Kulturzentrum aufbauen wollte. Pressefotos zeigen Selenski neben seinem Schwiegervater und mutmasslichem Grossvater einer 2017 geborenen Tochter.
«Umzug nach München»
Neben den Passkopien des Paares liegen dem «Spiegel» auch Passkopien eines Mädchens vor, das wohl eine bisher unbekannte Tochter Tichonowas ist. Eine Besonderheit fällt dabei auf. Das Kind heisst mit zweitem Namen Igorewna. Das bedeutet, dass der Vater des Kindes Igor heisst. Dahinter steckt eine russische Tradition, den zweiten Namen dem Vater zu widmen. Ein weiterer Hinweis, der auf Igor Selenski deutet.
2019 entschied das Paar wohl, dass die 2315 Kilometer zwischen Moskau und München zu viel waren. Laut den Unterlagen wurde ein Umzugsunternehmen damit beauftragt, Bücher zu verpacken. Der Betreff der E-Mail: «Umzug nach München». Selenskis zweistöckige Wohnung in München scheint allerdings leer zustehen – zumindest öffnete niemand die Türe, als das Magazin dort versuchte, mit ihm zu sprechen. Weder Tichonowa noch Selenski reagierten auf Anfragen von «Spiegel» und «IStories». (chs)