Ein französischer Senator des Regierungslagers steht im Verdacht, einer Abgeordneten heimlich Ecstasy in ein Getränk gegeben zu haben, um sie sexuell gefügig zu machen. Der 66 Jahre alte Mitte-rechts-Senator Joël Guerriau wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Polizeigewahrsam genommen. Am Freitag kam es zu einer mehrstündigen Gegenüberstellung des mutmasslichen Täters und der Klägerin, einer Abgeordneten der Nationalversammlung. Diese berichtete: «Ich hatte Angst zu sterben, einen Herzinfarkt zu erleiden.»
«Sandrine Josso steht noch immer unter Schock», sagte ihre Anwältin Julia Minkowski. «Sie musste eine grosse physische und mentale Kraft aufwenden, um der Falle im letzten Moment zu entkommen», sagte sie. Zudem fühle sie sich verraten, da Guerriau seit Jahrzehnten ein Freund gewesen sei, dem sie vertraut habe. Josso (48) gehört der Partei Modem an, die ebenfalls zum Regierungslager zählt. Der Senator wies über seinen Anwalt die Vorwürfe zurück.
Säckchen mit weisser Substanz
Nach Schilderung der Klägerin hatte sie in der Nacht zum Mittwoch in der Wohnung des Senators Champagner getrunken. Er habe seine langjährige Bekannte eingeladen, um seine kürzliche Wiederwahl zu feiern. Sie habe beobachtet, wie dieser einen kleinen Plastikbeutel mit einer weissen Substanz aus einer Küchenschublade geholt habe. Anschliessend sei ihr schlecht geworden. Ihr Herz habe zu flattern begonnen, der Schweiss sei ihr ausgebrochen.
Bei einer ärztlichen Untersuchung wurden Spuren von Ecstasy in ihrem Körper gefunden. Später wurde auch die Wohnung des Senators durchsucht, wo nach Angaben der Staatsanwaltschaft ebenfalls Ecstasy gefunden wurde. Der französische Sender BFM berichtete unter Berufung auf Polizeikreise, dass der Senator positiv auf mehrere Drogen getestet worden sei.
Senator in Gewahrsam
Josso klagte wegen Verabreichung einer bewusstseinsverändernden Substanz mit dem Ziel des sexuellen Missbrauchs. Guerriau kam für 48 Stunden in Polizeigewahrsam. Dies ist trotz seiner Abgeordneten-Immunität möglich, da die mutmassliche Tat erst kurz zurückliegt.
Guerriau gehört der Partei Horizons des ehemaligen Premierministers Edouard Philippe (52) an. «Wenn auch nur das Geringste davon wahr ist, dann wird er Konsequenzen ziehen müssen», sagte Christophe Béchu (49), Generalsekretär der Partei und zugleich Umweltminister. Seine Partei wolle am Samstag über mögliche Folgen beraten.
Guerriau hatte mehrere hochrangige Posten bei verschiedenen Banken, war lange Bürgermeister einer Kleinstadt an der Loire und gehört seit 2011 dem Senat an, der zweiten Kammer des französischen Parlaments. Senatspräsident Gérard Larcher (74) forderte den Rücktritt Guerriaus, der sich in früheren Reden gegen jede Art von Drogenkonsum stark gemacht hatte. (AFP/kes)