An der EU-Aussengrenze brodelt es. Der Grenzübergang Pazarkule rund fünf Kilometer von der türkischen Grenzstadt Edirne entfernt wird seit Tagen von Flüchtlingen belagert. Sie haben nur ein Ziel: Europa. Die prekäre Situation im Grenzgebiet zu Griechenland ist ein gefundenes Fressen für rechte Propaganda. Denn nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Neonazis zieht es dort hin.
BLICK-Recherchen zeigen: Auch der Schweizer Rechtsextreme Ignaz Bearth (36) hat sich vergangene Woche in die Türkei nach Edirne aufgemacht, um auf seinem Rechtsextremen-Youtube-Kanal vor Ort über die Flüchtlingskrise zu berichten. «Ich habe mir mal erste Eindrücke gemacht, mir die Leute mal angekuckt», sagt Bearth in einer Video-Botschaft vom Donnerstag.
Aufenthaltsort unbekannt, Handy beschlagnahmt
Ignaz Bearth ist in der rechtsextremen Szene gut vernetzt. Als einstiger Redner der Pegida Schweiz trat er auf Veranstaltungen in Deutschland und Österreich auf, ist seit Jahren Mitglied der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos).
In rechter Manier hetzt er gegen Migranten, erzählt in seinen Youtube-Videos aus der Türkei von seinen Begegnungen mit «Wirtschaftsmigranten». Behauptet etwa einen jungen Marokkaner getroffen zu haben, der aus seiner Heimat in die Türkei gereist sei, um so nach Europa zu kommen, doch die griechische Polizei habe ihn nicht durchgelassen.
Auch Ignaz Bearth macht Bekanntschaft mit der Polizei – nur zwei Tage nach seiner Einreise in die Türkei. Er wurde am Freitagnachmittag in Edirne verhaftet. Mehreren Polizisten haben ihn laut seiner Partnerin Lilly S.* festgenommen, als er gerade beim Essen mit einem Kollegen sass. Sein Handy wurde beschlagnahmt. Aus dem Gefängnis durfte er einen Anruf machen. Dieser ging an seine Partnerin.
«Ich habe keinen Kontakt zu ihm»
In einer Video-Botschaft äussert sich Bearths Lebenspartnerin Lilly S. zur Verhaftung. «Schatz, ich bin von der Polizei in der Türkei verhaftet worden», habe Bearth am Telefon gesagt. Die türkische Polizei habe gewusst, wo er sich aufhält, habe gewusst, in welchem Hotel er ist.
«Ich habe keinen Kontakt zu ihm. Ich weiss nur, dass sein letzter Aufenthaltsort Edirne war», so S. Wo genau Bearth festgehalten wird, sei unklar. S. habe sich bereits am Freitag mit der Schweizer Botschaft in Verbindung gesetzt. Ihr wurde gesagt, dass ein Verdächtiger von der Polizei bis zu 72 Stunden zum Verhör festgehalten werden kann.
Grund für die Verhaftung soll eine Beleidigung gewesen sein. Offenbar soll Bearth Erdogan verbal attackiert und sich kritisch über ihn geäussert haben. Auf Anfrage von BLICK konnte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) die Inhaftierung von Bearth noch nicht bestätigen. «Die Abklärungen sind aber im Gange», sagt EDA-Sprecher Pierre-Alain Eltschinger.
Flüchtlingszentrum auf Lesbos abgefackelt
Die Stimmung an der türkisch-griechischen Grenze ist seit Tagen aufgeheizt. Vor einer Woche hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (66) die Grenze nach Griechenland und Bulgarien geöffnet. Über 75'000 Flüchtlinge setzten sich darauf in Richtung Europa in Bewegung. Fünf Tage später eskaliert die Situation an der Grenze zur türkischen Stadt Erdine.
Griechische Grenzschützer eröffnen das Feuer auf die Flüchtlinge. Ein Syrer wird im Kugelhagel getötet. Sechs weitere Flüchtlinge werden «mit scharfer Munition» verletzt.
Auch auf der griechischen Insel Lesbos ist die Situation prekär. Das Gemeinschaftszentrum der Schweizer Hilfsorganisation «One Happy Family» wurde am Samstagabend in Brand gesteckt. Das Zentrum sollte Flüchtlingen als Treffpunkt dienen. Jetzt aber ist es niedergebrannt. Hinter der Brand-Attacke werden rechtsextreme Gruppierungen vermutet. Hilfsorganisationen wurden in der vergangenen Woche verstärkt bedroht.
* Name bekannt