56'000 Notrufe nach Wirbelsturm «Harvey» in Texas
In letzter Sekunde aus dem Truck gerettet

Die Überschwemmungen im US-Bundesstaat Texas nehmen katastrophale Ausmasse an. Mindestens fünf Menschen kamen in den Fluten ums Leben. US-Präsident Trump will das Gebiet am Dienstag besuchen.
Publiziert: 27.08.2017 um 21:32 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2018 um 10:18 Uhr

In Texas herrscht Ausnahmezustand: Flughäfen sind zu, Spitäler mussten evakuiert werden, die wichtigsten Highways befinden sich unter Wasser. Tag und Nacht sind die Rettungsteams im Einsatz, um die Anwohner aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Vor Ort sind auch Journalisten, die aus erster Hand von der Katastrophe berichten.

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Die US Küstenwache bringt Anwohner in Sicherheit.
Foto: REUTERS

Doch manchmal reicht es nicht, nur Beobachter zu sein. In mehreren Fällen haben Reporter selbst eingegriffen und so Menschenleben gerettet. Brandi Smith ist für den Lokalsender «KHOU 11» in Houston unterwegs, als sie auf einer überschwemmten Schnellstrasse einen Truck sieht, dessen Führerkabine sich mit Wasser füllt – der Fahrer scheint festzustecken. Als ein Rettungsteam mit einem Boot auf dem Anhänger vorbeifährt, sprintet sie ihnen nach und macht sie auf den Lastwagen aufmerksam. Die Retter, die den Fahrer nicht selbst gesehen haben, machen sich ans Werk und befreien ihn aus seiner misslichen Lage. Vor der Kamera sagt der Trucker: «Gott sei Dank wart ihr hier» – dann folgt eine herzliche Umarmung mit der Reporterin.

Auch ein Kamerateam von «CNN» beteiligt sich an einer Rettungsaktion: Moderator Ed Lavandera ist auf einem Motorboot von Freiwilligen unterwegs. Sie wollen die überschwemmte Nachbarschaft in der Stadt Dickinson gerade verlassen, als der Reporter eine Stimme hört. Er findet heraus, dass eine Frau mit ihren beiden betagten Eltern im Haus feststeckt und seit vielen Stunden auf ihre Rettung wartet. Der «CNN»-Journalist hilft den gebrechlichen Leuten auf das Rettungsboot.

Altersheim-Bewohner nach viralem Tweet gerettet

Ein Foto sorgte auf den sozialen Medien für besondere Betroffenheit: Es zeigt Bewohner des überschwemmten  La Vita Bella (Schönes Leben) Altersheims, die bis zur Hüfte im Wasser stecken – in der Ecke kauert verängstigt eine Katze. Wie die Lokalzeitung «Galveston County Daily News» berichtet, konnten die 15 betroffenen Rentner wenig später mit dem Helikopter gerettet werden.

Der Schriftsteller Timothy McIntosh hatte das Bild auf Twitter gestellt, um Druck auf die Behörden zu machen. Das Foto wurde ihm von seiner Schwiegermutter Trudy Lampson zugeschickt, die das Altersheim führt. Nachdem das Foto viral ging, wurden die Bewohner von der Nationalgarde aus ihrer misslichen Lage gerettet.

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In Houston, der viertgrössten Stadt der USA, war die Situation besonders schlimm. Der Flugbetrieb an den beiden wichtigsten Flughäfen kam zum Erliegen, darunter auch das vielbeflogene Luftverkehrsdrehkreuz George Bush Intercontinental Airport. Zwei Spitäler mussten evakuiert werden.

Auch die wichtigsten Schnellstrassen waren von den Überschwemmungen betroffen. «Es ist verrückt», sagte der Anwohner John Travis der Nachrichtenagentur AFP. «Die Strassen, auf denen du täglich fährst, sind vollständig unter Wasser.»

Innerhalb von 15 Stunden wurden in Houston 56'000 Notrufe registriert - sieben Mal mehr als üblich. Die städtische Katastrophenschutzbehörde forderte die Einwohner auf, sich aufs Dach zu retten, wenn das oberste Stockwerk ihres Hauses nicht mehr sicher sei. 

Die Stadt bot öffentliche Gebäude als Notunterkünfte für Menschen an, deren Häuser überflutet wurden. Der Sender ABC zeigte Bilder eines Vaters und seines sechsjährigen Sohnes, die per Helikopter aus dem zweiten Stock ihres Hauses gerettet wurden. Beide trugen nur einen Rucksack bei sich.

Der texanische Gouverneur Greg Abbott sagte, auch nach der Herabstufung von «Harvey» zu einem Tropensturm verschlimmere sich die Lage in den betroffenen Gebieten weiter. Die Zustände seien «schlecht und werden schlimmer», sagte Abbott am Sonntag dem US-Nachrichtensender Fox News.

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Notunterkünfte geöffnet

Die Stadt öffnete öffentliche Gebäude als Notunterkünfte für Menschen, deren Häuser überflutet wurden. Die beiden Flughäfen der Stadt - unter ihnen das vielbeflogene Luftverkehrsdrehkreuz George Bush Intercontinental Airport, wurden geschlossen.

Die Behörden leiteten die Evakuierung eines der grössten Spitäler von Houston ein: Das Erdgeschoss des Ben Taub Hospital sei überschwemmt, die Stromversorgung sei beeinträchtigt.

Gouverneur Greg Abbott sagte, auch nach der Herabstufung des Orkans zu einem Tropensturm verschlimmere sich die Lage in den Sturmgebieten weiter. Die Zustände seien «schlecht und werden schlimmer«, sagte Abbott am Sonntag dem US-Nachrichtensender Fox News.

Auf Fox News prophezeite der Gouverneur, die Schäden würden wahrscheinlich «in die Milliarden» gehen. Die Anlagen der bedeutenden texanischen Ölindustrie seien allerdings wirksam geschützt worden. Mehr als 110 Ölplattformen im Golf von Mexiko wurden evakuiert.

«Dramatische Überschwemmungen»

Bis jetzt kamen laut dem Nationalen Wetterdienst insgesamt fünf Personen ums Leben. Am Sonntag wurde ein weiterer Todesfall bestätigt: Ein Frau starb in Houston, als sie ihr Auto auf einer überfluteten Strasse verliess.

«Harvey» hatte Texas am Freitagabend (Ortszeit) als Orkan der zweithöchsten Kategorie mit 215 Stundenkilometern erreicht. Es war der stärkste Wirbelsturm auf dem US-Festland seit zwölf Jahren. Im Vorfeld waren hunderttausende Menschen in Sicherheit gebracht worden.

Besonders schwer betroffen war der Küstenort Rockport. «Es gibt hier weitreichende Zerstörungen«, sagte Bürgermeister C.J. Wax dem Sender MSNBC. Mehrere Häuser und Geschäfte seien «komplett zerstört» worden. 3000 Angehörige der Nationalgarde sowie der Garde von Texas sind mobilisiert, 250 Fernstrassen geschlossen.

In Texas waren nach Angaben der Versorger rund 230'000 Haushalte ohne Strom. Viele Strassen waren aufgrund von Trümmerteilen und heruntergerissenen Stromleitungen kaum befahrbar.

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Das Nationale Hurrikan-Zentrum (NHC) stufte «Harvey» zwar später vom Hurrikan zum Tropensturm herunter, warnte zugleich aber vor «dramatischen und lebensbedrohlichen Überschwemmungen». In der Region gab es weiter schwere Regenfälle. Vorhersagen zufolge könnte der Wirbelsturm noch mehrere Tage über der US-Golfküste verharren.

Präsident Donald Trump schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, «nichts« werde dem Zufall überlassen. Die örtlichen Behörden und die US-Regierung arbeiteten «grossartig» zusammen. Vorsorglich hatte Trump auf Ersuchen von Gouverneur Abbott den Katastrophenfall für Texas ausgerufen. Damit können Bundesmittel zur Behebung der Sturmschäden freigegeben werden.

US-Präsident Donald Trump wird am Dienstag das Flutgebiet in Texas besuchen. Das gab das Weisse Haus am Sonntag bekannt. Das Wochenende verbrachte Trump auf dem Präsidenten-Landsitz Camp David. Dort hielt er sich dem Weissen Haus zufolge ständig über die Entwicklung auf dem Laufenden und stand in Kontakt zu den wichtigsten Koordinatoren von Katastrophenhilfen. Der Geist der Menschen sei «unglaublich», twitterte der US-Präsident in der Nacht auf Montag.

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(SDA/man/rey)

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