Die 26-jährige Harnaam Kaur aus Grossbritannien hat einen Bart – und trägt ihn mit stolz. Kaur leidet unter einer hormonellen Erkrankung, die verstärkten Haarwuchs auslöst. Im Fachjargon: ein polyzystisches Ovarialsyndrom (siehe unten). Sie hat ihr Schicksal mittlerweile akzeptiert – die Gesellschaft ist davon noch weit entfernt.
«Auf der Strasse halten mich die Leute für eine Terroristin, wegen meines Barts und Turbans», sagt Kaur zu BLICK.
Alleine ist sie selten unterwegs – und wenn, ist sie wachsam und meidet grosse Menschenmengen. «Die Leute geben böse Kommentare ab, lachen mich aus, pöbeln und fotografieren mich ohne meine Einwilligung.»
Im Alter von elf Jahren erfuhr Kaur von der Diagnose, die ihr Leben für immer verändern sollte. «Zuerst war ich froh, endlich zu wissen, wieso bei mir ein Bart wuchs und bei den anderen Mädchen nicht. Ich wusste aber nicht, was das bedeutet», sagt Kaur.
Schlimme Jugend: «Ich wollte dem Leiden ein Ende setzen»
Sie erfährt es auf schmerzliche Art: Sie wird zum Mobbing-Opfer ihrer Mitschüler. «Ich sperrte mich im Zimmer ein, versuchte so oft wie möglich, die Schule zu schwänzen. Ich redete anders und tat alles, um akzeptiert zu werden.»
Sie rasiert die Barthaare oder bleicht sie – vergeblich. Die anderen Kinder sind grausam und gnadenlos. Nichts hilft gegen das Mobbing.
Beinahe zerbricht sie. Die junge Kaur will ihrem Leiden ein Ende setzen. Heute weiss sie: «Mobbing hält man nur aus, wenn man stark ist.»
Mittlerweile ein gefragte Rednerin
Schliesslich der Wendepunkt. Sie entscheidet sich für das Leben und wird zur Aktivistin. Kaur ist mittlerweile gefragte Rednerin und Model. Sie wird weltweit gebucht, um über Körperideale, Feminismus, Geschlechterfragen und eben auch bärtige Frauen zu sprechen. «Anderen Menschen zu helfen macht mich stärker. Das ist der Grund, wieso ich lebe.» Kaur bezeichnet sich als «Body Confidence Activist» (zu Deutsch: «Aktivistin für ein selbstbewusstes Körpergefühl»).
Ihr Bart wird zum Schlüssel des Erfolgs. «Ich spreche Männer wie auch Frauen an, breche stereotypes Denken.» Auch die starre Definition von Geschlechtern lehnt sie ab und sagt BLICK: «Ich sehe mich als bärtige Frau.»
Klare Message: «Sei du selbst»
Sogar ins Guinnessbuch der Rekorde ist sie aufgenommen worden. Ihr Titel: «Jüngste Frau mit Vollbart». «Das ist eine grosse Leistung für mich. Heute werde ich dafür gefeiert, was mich früher fast umgebracht hat.»
Das sei der Beweis dafür, dass «man alles erreichen kann, wenn man sich selbst ist.» Kaur ist stolz und dankbar. «Egal, wie negativ meine Vergangenheit war. Ich kämpfe nicht mehr mit mir selber. Heute liebe ich meinen Bart.»
Mit ihrer Krankheit ist Harnaam Kaur (26) nicht alleine. Das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) gehört zu den häufigsten Hormonstörungen bei jungen Frauen. Weltweit sind zwischen fünf und acht Prozent der Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter betroffen. Die genaue Ursache ist nicht geklärt. Bemerkbar macht sich PCOS unter anderem durch Übergewicht, Zyklusunregelmässigkeiten, Unfruchtbarkeit und Bartwuchs.
Mit ihrer Krankheit ist Harnaam Kaur (26) nicht alleine. Das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) gehört zu den häufigsten Hormonstörungen bei jungen Frauen. Weltweit sind zwischen fünf und acht Prozent der Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter betroffen. Die genaue Ursache ist nicht geklärt. Bemerkbar macht sich PCOS unter anderem durch Übergewicht, Zyklusunregelmässigkeiten, Unfruchtbarkeit und Bartwuchs.