Von seinem Wohnzimmer oberhalb von Gümligen BE hat Hans-Peter Duttle einen traumhaften Blick auf die Alpenkette: «Schreckhorn, Finsteraarhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau – im Sommer versuche ich ein paar Viertausender, aber nur einfache», sagt der 80-Jährige und lächelt verschmitzt. Genau so muss er gelächelt haben, als er 1962 in den verwegenen Plan dreier Amerikaner eingeweiht wurde.
Erst 24 Jahre alt war er damals, als er in der Jugendherberge von Zermatt VS die alpinistischen Haudegen kennenlernte, unter ihnen den damals 44-jährigen Woodrow Wilson Sayre, genannt Woody, Philosophieprofessor und Enkel des 28. Präsidenten der USA, Woodrow Wilson.
Von Nepal her wollten die drei über einen gesperrten Grenzpass ins damals völlig abgeschottete Tibet wechseln, den Nordsattel des Everest erreichen – und von dort auf einer illegalen Route den höchsten Gipfel der Welt erklimmen.
«Einmalige Chance»
Als sie ihm offenbarten, sie bräuchten noch einen vierten Mann als Teilnehmer, sagte Duttle sofort zu: «Es war ein unglaubliches Abenteuer, eine einmalige Chance», erinnert er sich – die wollte er keinesfalls verpassen.
56 Jahre später hat Duttle seine Erinnerungen an die waghalsige Expedition zusammen mit dem Autor Reto Winteler zu Papier gebracht, seine unglaubliche Lebensgeschichte auf Hunderten von Seiten niedergeschrieben. In seinem Buch «Illegal am Everest» geht es nicht nur um die verbotene Expedition, sondern auch um seine Arbeit als Lehrer bei den Inuit bis hin zu Hilfseinsätzen für die Deza in Nepal und Honduras. Nach fast zwei Jahren Arbeit liegt das Buch nun vor, Ende April stellt Duttle es der Öffentlichkeit vor.
Fast eine Katastrophe
Die Besteigung des Everest endete beinahe in einer Katastrophe. Die vier schafften es zwar auf den Nordsattel und stiegen bis auf 7700 Meter auf. Doch dann stürzten zwei aus der Vierergruppe ab, darunter Expeditionsleiter Woodrow – wie durch ein Wunder überlebten sie.
Auf einem schmalen Eisbalkon über dem Abgrund mussten sie in eisiger Kälte ohne Essen, ohne Zelt, ohne Schlafsack übernachten. Völlig entkräftet trat die Gruppe am folgenden Tag den Rückweg an. Unterwegs musste Duttle seinen Rucksack zurücklassen. «Wir hatten Angst und waren völlig am Ende», sagt Duttle.
Er weiss aber auch: «Was wir damals getan haben – ohne Sherpas und Sauerstoff im Alpinstil – war seiner Zeit weit voraus.»