Nach knapp sieben Monaten Dauerbeschuss gibt es einen Lichtblick für die Menschen in Gaza: Die Hamas hat am Montag einem von Katar und Ägypten vermittelten Waffenstillstand-Deal zugestimmt. Dies, nur Stunden nachdem Israel die Evakuierung der südlichen Stadt Rafah angeordnet hat.
Dass die Hamas dem Deal zustimmt, kommt überraschend. Verhandlungsgespräche liefen in den vergangenen Tagen nicht gut. Israel weigerte sich, eine Delegation zu den Verhandlungen nach Kairo zu entsenden, bis die Hamas einen Deal annimmt, der zirka 40 Tage Waffenruhe sowie einen Austausch von 33 israelischen Geiseln gegen Hunderte palästinensische Gefangene vorsieht. Die Hamas zog ihre Delegation ab, ohne den von den Vermittlern verfassten Vorschlag anzunehmen.
Viele Details über das Abkommen waren bislang nicht bekannt. Die Hauptprobleme bei den Verhandlungen lagen in den vergangenen Monaten vor allem in der Länge der Waffenpause. Während die Hamas einen langfristigen Waffenstillstand und den Abzug der israelischen Truppen fordert, beharrt Israel auf einer Bodenoffensive in Rafah und einer Weiterführung der Kriegshandlungen.
Plan könnte zu dauerhaftem Waffenstillstand führen
Dem Sender Al Jazeera liegen nun Details des von der Hamas angenommenen Deals vor. Einem Bericht zufolge soll es um einen Phasenplan gehen, wobei alle drei Phasen 42 Tage anhalten.
In der ersten Phase würde es eine Waffenruhe geben, die die Rückkehr der vertriebenen Palästinenser in alle Gebiete des Gazastreifens ermöglicht. Ebenso sollen Hilfsgüter und Treibstoff in den Küstenstreifen hereingelassen werden. Gleichzeitig sollen während der Waffenpause weibliche israelische Geiseln gegen je 50 palästinensische Gefangene ausgetauscht werden. Wie viele insgesamt, ist unklar.
Nach Ende der ersten Phase würde die zweite Phase beginnen: ein permanenter Waffenstillstand sowie der Abzug der israelischen Soldaten aus dem Gazastreifen. In dieser Phase würde die Hamas männliche Israelis im Austausch gegen eine noch unklare Anzahl von palästinensischen Gefangenen freilassen.
Die dritte Phase würde eine komplette Beendigung der Blockade des Gazastreifens umfassen und den Beginn eines drei- bis fünfjährigen Wiederaufbauplans markieren. Israel kontrolliert seit 2007 die Grenzen des Gazastreifens sowie die Zufuhr von Wasser, Hilfsgütern und Treibstoff. Die Besatzung ist laut internationalem Recht illegal.
Israel startet Rafah-Attacke – und entsendet Delegation
Ob Israel dem Deal zustimmen wird, blieb zunächst unklar. Ein namentlich nicht genannter Regierungs-Beamter erklärte der Nachrichtenagentur AFP: «Es handelt sich nicht um den vereinbarten Rahmen. Wir prüfen den Deal.»
Später berichteten israelische Medien dann unter Berufung auf das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, dass das Kriegskabinett «einstimmig» beschlossen habe, dass Israel «die Operation in Rafah fortsetzt, um militärischen Druck auf die Hamas auszuüben und die Freilassung unserer Geiseln und die anderen Ziele des Krieges voranzutreiben». Anschliessend gab die Armee bekannt, dass die Offensive in Rafah gestartet sei.
Zeitgleich teilte Netanyahus Büro mit, dass man mit dem Deal «weit von den Forderungen Israels entfernt» sei, Israel aber dennoch eine Delegation von Vermittlern entsenden wird – «um die Möglichkeit einer Einigung unter für Israel akzeptablen Bedingungen auszuschöpfen». Am Samstag betonte Israels Regierung noch, dass die Entsendung einer Delegation es ein «positives Zeichen» darstellen würde.
Werden die USA Israel zum Waffenstillstand zwingen?
Das hochrangige Hamas-Mitglied Khalil al-Hayya erklärte Al-Jazeera kurz nach Annahme des Deals, dass die beiden Vermittlerländer der Hamas bestätigten, dass US-Präsident Joe Biden entschlossen sei, die Umsetzung des Abkommens zu garantieren. Werden die USA Israel nun also zum Deal drängen?
Bestätigungen beider Länder liegen noch aus. Fest steht aber: Kurz bevor die Hamas dem Deal zustimmte, führte Netanyahu ein Telefonat mit Biden. Zudem sprach er mit dem Chef der CIA.
Weitergehend steht fest: Die USA haben sich wiederholt gegen eine Rafah-Offensive ausgesprochen. Nachdem die Hamas dem Deal zugestimmte, betonte ein US-Sprecher bei einer Pressekonferenz im Weissen Haus erneut: «Wir haben klargemacht: Wir unterstützen keine Bodeneinsätze in Rafah, welche das Leben von über einer Million Zivilisten gefährden würden.» Als ein Journalist fragt, ob die USA offen dafür seien, ihre Richtlinien mit Israel mit Hinsicht auf die imminente Rafah-Offensive zu ändern, antwortete der Sprecher: «Natürlich.»