Gut, günstig, nah! Warum das Türken-Lädeli so erfolgreich ist
Onkel Cevat statt Tante Emma

Das Türken-Lädeli gehört zum fixen Ortsbild eines Stadtquartiers. Dass ausgerechnet die Türken im Handel mit Obst und Gemüse die Oberhand haben, ist kein Zufall.
Publiziert: 15.10.2016 um 15:24 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 22:35 Uhr
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Apaydin ist sein eigener Chef und beschäftigt 20 Mitarbeiter.
Foto: Nicolas Zonvi
Andrea Hohendahl

Bei Cevat Apaydin (57) am Zürcher Hottingerplatz gibts allerlei. Heimisches Gemüse, exotische Früchte, frisch gepresste Säfte sowie Rosen und Tulpen. Je nach Saison. In den Regalen stehen orientalische Gewürze neben Nüssen, Schokolade, Guetsli und Alkoholika. Ebenso im Sortiment: Waschmittel und Toilettenartikel.

Die Türkenlädeli gehören heute zum festen Ortsbild eines modernen Stadtquartiers. Sie sind die neuen Tante-Emma-Läden und stellen eine Alternative zu den Einheitsgeschäften der Grossverteiler dar.

«1980 stand ich für ein Taschengeld in diesem Laden», erinnert sich Apaydin. Damals kam er als junger Mann aus Istanbul fürs Studium in die Schweiz. «Mit meinem Job im Laden wollte ich mir die Uni finanzieren.»

Doch für den Abschluss reichte das Geld nicht. Die Kosten für den Lebensunterhalt waren einfach zu hoch. Also strengte sich Apaydin an, arbeitete hart und unermüdlich. Nach acht Jahren übernahm er den Laden vom früheren Besitzer. Seither ist Apaydin sein eigener Chef. Er beschäftigt 20 Mitarbeiter. In Hottingen ist er schon fast eine Institution.

«Ihm verdanke ich meinen Erfolg»

In der Take-away-Ecke brodelt schon das Wasserbad. Um die Mittagszeit läuft es rund, wenn die hungrigen Kantischülerinnen und -schüler für Älplermagronen, Kebab und Salate Schlange stehen. «Wir können uns nur mit Qualität und Service von den Grossverteilern abheben», sagt der Geschäftsführer.

Früher befanden sich die Quartierlädeli fest in den Händen von Italienern und Griechen. Jetzt sind es die Türken, die den Ton angeben. Wie das kommt? Apaydin: «Wir sind tüchtig. Und wir lieben das Risiko.» Im Büro hängen Bilder seiner Eltern und Kinder. Daneben ein Foto des früheren Ladenbesitzers Walter Huber. «Ihm verdanke ich meinen Erfolg.»

Er kenne viele seiner Landsleute, die Geld aus der Pensionskasse nähmen und dieses dann in ein Ladenlokal steckten. «Doch es braucht mehr als Geld.» Wem das unternehmerische Gespür fehle, strauchle. Die Tage im Laden sind lang. «Ich stehe um vier Uhr auf.» Um fünf sucht er im ­Engros-Markt seine Waren aus. Wer die Stunden zähle, solle etwas anderes tun, rät Apaydin.

Margen tief halten

Das Business mit der Frischware ist knüppelhart. Um gegen die mächtige Konkurrenz von Aldi, Coop, Migros und Lidl zu be­stehen, müssen die kleinen Lädelibesitzer ihre Marge möglichst tief halten. Und die Qualität muss trotzdem stimmen. Im Schnitt ist das Kilo Tomaten beim Türken rund einen Franken günstiger als beim Grossverteiler.

Hasan Masyan (43) betreibt in Basel unweit der Grenze zu Deutschland einen kleinen Quartierladen. Er sagt: «Nur dank tiefer Marge kann ich die Kunden halten.» Der Alima-Geschäftsführer verdient auf ein Kilo Tomaten gerade einmal 35 Rappen.

In Bern tönt es ähnlich: Früchte und Gemüse sind im Merdan-Laden deutlich günstiger als bei Coop oder Migros. «Wir haben den Vorteil, dass wir viel kleiner sind und deshalb tiefere Kosten haben», sagt Erkan Erhalac (33). Dafür packe auch seine Familie mit an.

Cevat Apaydin kann es sich dagegen leisten, nicht zu den günstigsten Anbietern zu gehören. Sein Laden floriert. Und der Umsatz stimmt. Neben den 14 Mitarbeitern bildet Apaydins ­Firma am Hottingerplatz auch sechs Lehrlinge aus. Und wenn er dann mal in den Ruhestand tritt, «übernimmt mein Sohn. Doch er soll erst sein Studium abschliessen.»

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