Gruppenanfrage aus der Schweiz für Hakenkreuz-Freikarten
Droht «Mein Kampf»-Aufführung eine Busse?

Das Schauspielhaus in Konstanz versprach Gratis-Eintritte für das Hitler-Theaterstück, wenn die Zuschauer dafür ein Hakenkreuz tragen. Jetzt prüft die Staatsanwaltschaft Anzeigen gegen die Aufführung.
Publiziert: 18.04.2018 um 00:23 Uhr
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Aktualisiert: 26.10.2018 um 11:50 Uhr
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Das Theater in Konstanz: Hier wird am 20. April das Stück «Mein Kampf» aufgeführt. Die Werbeaktion mit Hakenkreuz und Davidstern sorgt für Empörung.
Foto: zVg

Wer ein Hakenkreuz trägt, darf gratis rein. Wegen dieser Ankündigung sind vor der Theater-Aufführung von George Taboris «Mein Kampf» in der süddeutschen Stadt Konstanz Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. Diese würden nun geprüft, sagte ein Sprecher der Behörde am Dienstag.

Das Tragen von Hakenkreuzen in der Öffentlichkeit sei grundsätzlich eine Straftat. Im Fall des Theaterstückes müsse man aber prüfen, ob eventuell das Thema Kunstfreiheit eine Rolle spiele.

Gruppenanfrage aus der Schweiz wird beobachtet

Vor der Premiere an diesem Freitag, 20. April, gibt es heftige Kritik, da das Schauspielhaus nach eigenen Angaben einen freien Eintritt anbietet für Besucher, die während der Vorstellung ein Hakenkreuz-Symbol im Saal tragen (BLICK berichtete).

Wer dagegen eine Karte kaufe, könne einen Davidstern als Zeichen der Solidarität mit den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft tragen. Mit einem gelben Davidstern brandmarkten die Nazis im Dritten Reich Menschen, die nach den Nürnberger Rassengesetzen als Juden galten. 

Bislang hätten sich rund 50 Interessenten für die Freikarten gemeldet, sagte Intendant Christoph Nix an einer Pressekonferenz am Dienstag. Es habe eine Gruppenanfrage aus der Schweiz gegeben, die man genau beobachte, so Nix. Ein Treffpunkt für Nazis soll das Theater nicht werden. Man werde darauf achten, dass es bei den insgesamt 14 Vorstellungen jeweils nur eine Handvoll Menschen mit Freikarte sei.

Am Eingang werde streng kontrolliert und auch intensiv darauf geachtet, dass die Symbole nach der Veranstaltung wieder eingesammelt würden. Zudem seien Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, falls es zu Zwischenfällen kommen sollte.

«Das spricht Bände für unsere Gesellschaft»

Auch die Tatsache, dass das Premierendatum auf den Geburtstag von Adolf Hitler (1889) fällt, sorgte für Streit. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft in der Bodensee-Region und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Konstanz hatten zum Boykott des Stückes aufgerufen.

Das Theater teilte daraufhin mit, dass Zuschauer, die das Datum als Provokation empfänden, die Karten umtauschen könnten. Mit der Freikarten-Idee habe das Theater zeigen wollen, wie leicht bestechlich Menschen seien, hiess es.

Das wahrlich Erschreckende daran sei, «dass sich tatsächlich Leute darauf eingelassen haben, für eine Gratiskarte ein Hakenkreuz zu tragen. Das spricht Bände über unsere Gesellschaft», so Regisseur Serdar Somuncu.

Auseinandersetzung mit Rassismus - kein Marketing

Den Vorwurf, dass das Ganze ein misslungener PR-Gag sei, weist Nix zurück: «Marketing haben wir nicht nötig.» Er sehe in der Inszenierung vielmehr eine Auseinandersetzung mit Rassismus und Antisemitismus.

«Und das Theater ist der einzige Ort, an dem unmittelbar solche Auseinandersetzungen stattfinden», sagt Nix.

George Taboris Werk «Mein Kampf» ist nach Angaben des Theaters eine Karikatur der früheren Jahre Hitlers. Inszeniert wird das Stück vom Kabarettisten Serdar Somuncu. Die Geschichte zeige, «dass wir nicht von Ideologien befreit sind» und sich historischer Horror entwickeln könne, hiess es im Schauspielhaus.

«Direkt ins Gesicht»

Somuncu beantwortete bei einer teils sehr emotional geführten Debatte mit Medienschaffenden gut eine Stunde lang Fragen zur Aktion. Der Satiriker verwies darauf, dass Antisemitismus in Deutschland zunehmend hoffähig sei – dem müsse man entgegenwirken.

Es gehe darum, die demokratische Verfassung in Schutz zu nehmen, sagte er. Dies müsse offensiv und öffentlich geschehen, «direkt ins Gesicht unserer politischen Gegner». Aufgabe des Theaters sei es, praktische Anleitungen für Diskussionen zu geben – «und genau das ist die Idee meiner Inszenierung». (voi/SDA)

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