«35 Bataillone der Russen sind schwer beschädigt»
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Militär-Experte Mantovani:«35 Bataillone der Russen sind schwer beschädigt»

Grossoffensive an Ostern geplant
So will Putin den Donbass einkesseln

Russland plant über Ostern eine Grossoffensive in der ukrainischen Donbass-Region im Osten des Landes. Ein Militärexperte erklärt, welche Städte Putin ins Visier nehmen könnte und was er mit der neuen Strategie erreichen will – denn die Zeit drängt.
Publiziert: 07.04.2022 um 16:06 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2022 um 17:56 Uhr
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Russlands Präsident Wladimir Putin konzentriert sich auf die Eroberung der Städte im Osten der Ukraine.
Foto: AFP
Jana Giger

Nach dem gescheiterten Blitz-Sieg ändert der russische Präsident Wladimir Putin (69) seine Strategie – die Ukraine bereitet sich auf eine Ostern-Offensive im Osten vor.

Denn Russland hatte sich zuletzt aus dem Raum Kiew und der Nordukraine zurückgezogen und angekündigt, sich auf den Osten und Süden des Landes konzentrieren zu wollen. «Die Russen verlegen ihren operativen Schwerpunkt. Das strategische Ziel ist nicht mehr Umsturz, sondern Landnahme», sagt Militärexperte Mauro Mantovani (58) zu Blick.

Der Donbass sei ein Ersatzziel mangels besserer Alternativen. «Es eröffnet die Aussicht auf einen Minimalerfolg», so Mantovani weiter. Und den braucht der Kreml-Chef schon bald. Die Zeit drängt. Am 9. Mai ist in Russland der «Tag des Sieges».

Der Feiertag wurde 1965 in der Sowjetunion eingeführt, um an den Tag des Sieges über das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg und damit das Ende des «Grossen Vaterländischen Krieges» zu erinnern. Der Militärexperte zu Blick: «Der 9. Mai ist für die russische Staatspropaganda zentral. Es ging immer darum, die eigene militärische Stärke zu zelebrieren. Dazu passt keine Schlappe in der Ukraine.» Mantovani hält es für möglich, dass Putin irgendwann einfach den Sieg ausrufen werde, ungeachtet aller Fakten. «Aber selbst nach einer ukrainischen Kapitulation ginge der Krieg weiter, als mörderischer Guerillakrieg, vermutlich über Jahre.»

Einsatz von Chemiewaffen nicht ausgeschlossen

Aktuell konzentriert sich Putin auf die Eroberung der Städte im Osten der Ukraine. Im Fokus könnte laut Mantovani die Hafenstadt Mariupol stehen, weil sie die Landbrücke zur Krim schliesst. «Auch Kramatorsk und Dnipro könnten Angriffsziele sein, um starke ukrainische Kräfte einzukesseln», erklärt der Experte. Denkbar sei aber auch Mikolajew, was die sogenannte «Passage obligé», ein zwingendes Etappenziel einer grösseren Operation, auf der Achse nach Odessa darstellt.

Die voranschreitende Zeit könnte den russischen Angriff allerdings erschweren. Weil der Boden mit dem Ende des Winters taut und matschig wird, ist ein Vorankommen mit schweren Militärfahrzeugen quer über offenes Feld kaum möglich. «Wenn Strassen vom Verteidiger gesperrt sind, kann ein Angreifer mit seinen gepanzerten Fahrzeugen eher auf Gelände ausweichen, wenn es gefroren ist», sagt Mantovani.

Dass die russische Armee bei ihrer Offensive in der Ost-Ukraine anders vorgehen wird als bisher, glaubt der Experte nicht. «Der Fernbeschuss von Städten und Schlüsselinfrastuktur wird weitergehen. Natürlich kann auch der Einsatz von thermobarischen und Chemiewaffen oder gar taktischen Nuklearwaffen nicht ausgeschlossen werden.»

Regierung ruft die Menschen zur Flucht auf

Seit Russland angekündigt hat, sich militärisch auf die «Befreiung» der Donbass-Region im Osten der Ukraine zu konzentrieren, leben die Bewohner der Bergbauregion in Angst.

Die ukrainische Regierung hat die Einwohner im Osten des Landes wegen einer befürchteten russischen Grossoffensive zum sofortigen Verlassen der Region aufgerufen. Dies müsse «jetzt» geschehen, andernfalls riskierten die Menschen dort zu sterben, erklärte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk (42) auf Telegram am Mittwoch. Auch der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj (46), rief die Menschen zur Flucht auf: «Bitte gehen Sie!»

Die wenigen Zivilisten, die in Kramatorsk bleiben, leben im Rhythmus der Luftschutzsirenen und einer nächtlichen Ausgangssperre. Treibstoff ist schwer zu bekommen, die meisten Geschäfte haben geschlossen. Ein freiwilliger Helfer am Bahnhof beschreibt die Atmosphäre in der Stadt als «angespannt». «Alle sind nervös. Es ist Zeit abzuhauen», sagt er.

Strasse mit Panzersperren übersät

Trotz der steigenden Anspannung geben sich die ukrainischen Soldaten vor Ort zuversichtlich. Ein Leutnant mit dem Auftrag, die Stellungen entlang der Strasse zu verstärken, reckt grinsend den Daumen hoch: «Wir warten auf sie.»

Ukrainische Soldaten haben rund um das Dorf Krasnopillja in der Donbass-Region Stellungen bezogen. Artillerie und Panzerfahrzeuge stehen am Rand der Strasse zwischen den von der ukrainischen Armee gehaltenen ukrainischen Städten Slowjansk und Kramatorsk und dem rund 20 Kilometer weiter nördlich gelegenen Ort Isjum, der seit wenigen Tagen von russischen Truppen besetzt ist.

Im Wald neben der Strasse haben die ukrainischen Truppen befestigte Stellungen angelegt. Getarntes Militärgerät steht zwischen den Bäumen verborgen und Schützengräben durchziehen das Gelände. Die Strasse selbst ist mit Panzersperren übersät.

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