Kaum jemand im Westen versteht, warum Wladimir Putin (69) vor drei Wochen in die Ukraine einmarschiert ist. Doch auch in Russland ist der Widerstand gross, obwohl der Kreml versucht, mit Propaganda und harten Strafen jeglichen Protest zu unterdrücken. So gehen Russen auf die Strasse, um zu zeigen, dass sie gegen den Krieg sind und nicht hinter Putin stehen. Zur Ikone des Widerstands ist inzwischen Jelena Osipowa (77) aus St. Petersburg geworden.
Am 2. März 2022 stellte sich die Seniorin auf die Strasse. Wenige Tage zuvor waren die Russen in die Ukraine einmarschiert. Osipowa protestierte mit ihren Schildern gegen Atomwaffen. Die Menschen um sie herum applaudierten, als sie von zwei Polizeibeamten abgeführt wurde. Sie liess sich widerstandslos festnehmen. Aber nicht unterkriegen.
Osipowa ging kurz darauf wieder protestieren. Sie stellte sich erneut mit selbst bemalten Schildern auf die Strasse. Mit einer klaren Botschaft: «Soldat! Leg deine Waffen nieder und sei ein echter Held.» Es werden nicht die letzten sein.
«Grossmutter der Opposition» und «Gewissen von St. Petersburg»
Osipowa machte sich in den Nachkriegsjahren als Künstlerin einen Namen. Doch unterdessen ist sie mehr als eine lokale Berühmtheit, sie ist zur Ikone aller Russen geworden, die sich gegen Unterdrückung auflehnen. Seit zwei Jahrzehnten nimmt sie an Demonstrationen teil, stets mit selbstgebastelten Schildern, wie mehrere unabhängige Medien berichten.
Zum ersten Mal stand Osipowa im Jahr 2002 prominent auf der Strasse, als tschetschenische Terroristen in einem Moskauer Theater 850 Menschen als Geiseln nahmen. Die Botschaft der heute 77-Jährigen berührte die Herzen vieler Russen: «Wir sind alle Geiseln einer gewalttätigen, provokativen und imperialistischen Politik.»
2014 gingen ihre Proteste erneut viral, als sie gegen die Krim-Annexion demonstrierte. Sie hat diverse Spitznamen bekommen, darunter «Grossmutter der Opposition» und «Gewissen von St. Petersburg».
Sie ist zwar eine der prominentesten, aber bei weitem nicht einzige Russin, die sich in ihrer Heimat gegen den Krieg auflehnt. Allein am Sonntag gingen laut Angaben von Bürgerrechtlern Demonstranten in mehr als 35 russischen Städten auf die Strassen. Dabei sei es zu über 800 Festnahmen gekommen. Insgesamt wurden den Angaben von Owd-Info zufolge seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar mehr als 14'100 Menschen festgenommen. (vof)