Grosse Unterschiede bei Corona-Impfungen
So impft Europa

China und Russland mischen die Impfkampagnen in Europa auf. Das hat Folgen. Die Länder stechen sich gegenseitig aus – dafür steht die Schweiz im Vergleich recht gut da.
Publiziert: 07.05.2021 um 01:36 Uhr
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Aktualisiert: 07.05.2021 um 14:33 Uhr
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In einem Supermarkt im deutschen Pforzheim, Baden-Württemberg, spritzen Ärzte übriggebliebenen Impfstoff von Astrazeneca.
Foto: Christoph Schmidt/dpa
Fabienne Kinzelmann

Der Startschuss fiel gemeinsam. Der «V-Day», wie die Europäische Kommission den europaweiten Impftag am 27. Dezember 2020 nannte, war dabei vor allem symbolisch: Der Stoff fehlte grossflächig. Der Kontinent und seine 746,4 Millionen Einwohner sassen in einem Boot.

Gut vier Monate später ist mehr Impfstoff zugelassen und ausgeliefert, doch mit der Schicksalsgemeinschaft ist es vorbei. Europa ist zum Impf-Flickenteppich mutiert.

Mit Risiko an die Spitze – und Spritze

Zahlreiche Länder wie Grossbritannien und Kleinstaaten wie San Marino haben sich mit teils gewagten Strategien an die Spitze gesetzt und könnten bald durchgeimpft sein. Andere wie etwa Russland oder Bulgarien liegen aus ganz unterschiedlichen Gründen zurück – hier haben mehr als 90 Prozent der Bevölkerung nicht mal eine Erstdosis erhalten. Selbst innerhalb der EU, für die Brüssel zentral mit den Impfstoff-Herstellern verhandelt hat, gibt es gewaltige Unterschiede.

Wie konnte es so weit kommen?

«Die EU kann Handelsverträge, aber keine Pandemie», urteilte die amerikanische Journalistin Sabrina Tavernise (50) in einem Podcast der «New York Times» über die schleppende Impfkampagne in Europa.

Ganz so einfach ist es freilich nicht: Die gemeinsame Bestellung war grundsätzlich ein Erfolg. Alle EU-Länder hatten zeitgleich Zugang zu Impfstoff, kein Mitglied wurde über den Tisch gezogen. Doch als Produktion und Lieferung des günstigen Vektorimpfstoffs Astrazeneca, auf den viele ärmere Staaten gesetzt hatten, ins Stocken geriet, begann das Ungleichgewicht. Das Vertrauen in Brüssel schwand.

Russland und China als Alternativ-Lieferanten

Neidisch schaute etwa Ungarn nach Serbien, das bereits seit Anfang Jahr mit Impfstoff aus Russland und China regelrecht überschwemmt wurde. Bis Ende Februar erhielt Belgrad mehr als eine halbe Million Dosen des Vektorimpfstoffs Sputnik V – und 1,5 Millionen (!) Dosen des chinesischen Sinopharm, der auf einem inaktivierten Virus aufbaut. Budapest griff zu.

Während die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) noch die Zulassung prüft, versuchen immer mehr europäische Staats- und Regierungschefs, ins neue Impfstoff-Rennen einzusteigen.

In Deutschland etwa schloss Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU, 54) einen Vorvertrag über 2,5 Millionen Dosen Sputnik. Manuela Schwesig (SPD, 46), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, will ebenfalls in Eigenregie ordern. Und auch in Frankreich und Österreich steht Putins Wundermittel in den Startlöchern.

Besser wäre eine Instanz, die alle Impfstoffe prüft

«Aus meiner Sicht wäre es besser und auch vertrauensfördernder gegenüber der Bevölkerung, wenn eine Instanz in einem Land oder einem Länderverbund – also die Swissmedic beziehungsweise die EMA – die Zulassung aller Impfstoffe prüft. Dabei geht es nicht um Misstrauen gegen Russland oder China, sondern einfach um wissenschaftliche Kriterien», sagt Cornelia Halin, Professorin für Pharmazeutische Immunologie an der ETH, zu Blick.

«Auch die chinesischen Impfstoffe sind sicher nicht schlecht. Aber bei einem Impfstoff, der auf inaktivierten Viren aufbaut, muss man viel geben, damit das Immunsystem anspringt», sagt Christian Münz, Professor für Virale Immunbiologie an der Uni Zürich und Leiter der Taskforce-Expertengruppe Immunologie. Zudem bestehe ein gewisses Risiko, weil wegen fehlender Daten die Nebenwirkungen nicht ganz klar sind.

Russen haben keine Lust auf Sputnik

Das sorgt auch für Misstrauen in der Bevölkerung. Obwohl Sputnik offenbar hochwirksam ist, ist gerade mal jeder zwölfte Russe teil- oder vollständig geimpft.

Dasselbe Problem hat Serbiens Präsident Aleksandar Vucic (51): Bereits Anfang März hatte er genug Impfstoff für alle Serben. Trotzdem liegt das Land in Sachen Impffortschritt europaweit nur auf Platz 6.

Die EU sorgt sich derweil mehr um politische Nebenwirkungen. Ein neuer EU-Bericht kritisiert die Impfstoffstrategien und Desinformationskampagnen von Moskau und Peking. Mit ihrer «Impfdiplomatie» versuchten China und Russland, «das Vertrauen in westliche Impfstoffe, in EU-Institutionen und europäische Impfstrategien zu unterminieren».

Schweiz hat die richtigen Vakzine

Dabei gibt es in Europa keinen Grund zum Panikkauf. Die Schweiz etwa habe mit Biontech/Pfizer und Moderna auf die richtigen Vakzine gesetzt, sagt Impfexperte Münz. «Bei den mRNA-Impfstoffen ist sowohl das Effizienz-, als auch das Sicherheitsprofil am besten.» Der langsame Impffortschritt (im europäischen Ranking teilt man sich Platz 11 mit Liechtenstein) sei nur im Falle einer sehr grossen Welle ein Problem.

Wie etwa in Indien, wo das Gesundheitssystem überlastet ist. Bereits vor Wochen verhängte der grösste Astrazeneca-Produzent einen Exportstopp, um die Lage in den Griff zu bekommen. Doch das reicht nicht. «Indien muss unbedingt mehr Leute impfen», sagte der bekannte US-Immunologe Anthony Fauci (80) vergangene Woche. Und rät, im grossen Stil bei den Chinesen und Russen einzukaufen.

Wettrennen um Sommerferien?

Europa steht derweil vor ganz anderen Problemen. Was, wenn im Sommer nur vollständig Geimpfte reisen können? Hier hätten mRNA-Geimpfte einen Vorteil, weil der Impfabstand zwischen den beiden Dosen geringer ist.

Zudem könnten Geimpfte, bei denen Impfstoffe nicht anschlagen, das Virus weiterverteilen – in Länder, die noch hinterherhinken. Der Flickenteppich bleibt wohl noch längere Zeit bestehen.

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