Grossbritannien
Britischer Brexit-Minister warnt EU vor überzogenen Forderungen

Birmingham – Mit Warnungen an die Adresse der EU und parteiinternen Sticheleien haben die britischen Konservativen am Montag ihren Parteitag in Birmingham fortgesetzt. Brexit-Minister Dominic Raab warnte die EU vor überzogenen Forderungen in den Austrittsverhandlungen.
Publiziert: 01.10.2018 um 17:43 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 17:47 Uhr
Der britische Brexit-Minister Dominic Raab hat am Montag in Birmingham die Konservative Partei aufgefordert, Premierministerin Theresa Mays Brexit-Kurs zu unterstützen.
Foto: KEYSTONE/AP/RUI VIEIRA

«Unsere Bereitschaft zum Kompromiss ist nicht grenzenlos», sagte er gemäss Redetext. Raab sieht den Knackpunkt bei den Brexit-Verhandlungen im künftigen Status der britischen Provinz Nordirland.

Es dürfe keine neue Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest Grossbritanniens geben, wie sie der EU vorschwebe. «Wenn das einzige Angebot der EU unsere Einheit bedroht, dann wird uns keine andere Wahl bleiben, als ohne Abkommen auszutreten», liess Raab verlauten. «Wir werden die EU tatsächlich verlassen, nicht nur dem Namen nach.» Zugleich betonte Raab aber seine Kompromissbereitschaft: «Mein Verhandlungsansatz ist pragmatisch, nicht dogmatisch.»

Finanzminister Philip Hammond forderte die Teilnehmer des Parteitags dazu auf, sich hinter May zu scharen, um «das beste Ergebnis für Grossbritannien» zu erzielen.

Gleichzeitig verlangte er von der EU, sich bei den Brexit-Gesprächen auf die Vorschläge aus London einzulassen. EU-Ratspräsident Donald Tusk liege falsch mit seinem Urteil, die Pläne würden nicht funktionieren, sagte er. «Das ist, was die Leute 1878 über die Glühbirne gesagt haben.»

Ungewohnt deutlich teilte Hammond gegen Boris Johnson und dessen Kritik an Mays Brexit-Plänen aus. Der Ex-Aussenminister habe keinen Sinn für Details, wenn es um wichtige Angelegenheiten wie den EU-Austritt gehe, sagte Hammond der Boulevardzeitung «Daily Mail».

Die Chancen, dass Johnson May auf dem Posten des Regierungschefs ablösen könnte, schätzt Hammond als gering ein. «Ich erwarte nicht, dass es passiert.» Denn das Bedeutendste, was Johnson in seiner politischen Karriere erreicht habe, sei die Einführung von Leih-Fahrräder in seiner Zeit als Londoner Bürgermeister.

Johnson hatte Mays Brexit-Pläne als Ergebnis «geistiger Verwirrung» und «lächerlich» bezeichnet. Er und andere Brexit-Hardliner fordern einen klaren Bruch mit Brüssel. Am Dienstag wird Johnson eine mit Spannung erwartete Rede vor den Konservativen halten.

Doch nicht nur Johnson stand in der Kritik. Sein Nachfolger im Amt des Aussenministers, Jeremy Hunt, hatte mit einem abschätzigen Vergleich zwischen der EU und der ehemaligen Sowjetunion europäische Politiker verärgert.

Die EU müsse aus der Geschichte der Sowjetunion lernen, hatte Hunt am Sonntagabend gesagt. «Wenn Sie die EU in ein Gefängnis verwandeln, wird der Wunsch, da rauszukommen, nicht schwinden, sondern wachsen.»

Der Chef-Sprecher der EU-Kommission sagte darauf, dass es wohl allen guttun würde, «und insbesondere den Aussenministern, von Zeit zu Zeit ein Geschichtsbuch zu öffnen.» Per Kurznachrichtendienst Twitter teilte der deutsche Europastaatsminister Michael Roth mit: «Sorry, Jeremy Hunt, die EU ist kein Gefängnis.»

Die tief gespaltenen Konservativen suchen in Birmingham seit Sonntag nach einem Ausweg aus der verfahrenen Brexit-Lage. Ein halbes Jahr vor dem geplanten EU-Austritt Grossbritanniens stehen sich das Lager von Premierministerin Theresa May und die innerparteilichen Kritiker ihrer Pläne jedoch unversöhnlich gegenüber. Der harte Brexit-Flügel wirft May zu weitreichende Zugeständnisse an die EU vor.

May will eine Freihandelszone mit der EU nur für Waren. Dafür soll sich Grossbritannien eng an Produktstandards und andere Regeln des EU-Binnenmarkts halten. Zollkontrollen vor allem zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sollen durch ein kompliziertes System von gegenseitigen Absprachen verhindert werden.

Ohne eine Vereinbarung mit der EU droht ein ungeregelter Abschied aus der Staatengemeinschaft mit potenziell grossen politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen. Viele Firmen bereiten sich bereits auf dieses «Worst-Case-Szenario» vor.

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