Regierungschef Alexis Tsipras rief seine Landsleute auf, mit einem «Nein» neue Verhandlungen mit den Geldgebern zu ermöglichen. Dagegen erwarten Euro-Finanzexperten, dass eine mehrheitliche Ablehnung den Verbleib Griechenlands im Euroraum gefährden dürfte.
In Athen gingen am Freitagabend Befürworter und Gegner der Sparpolitik jeweils zu Tausenden auf die Strasse. Zuvor hatte das höchste Verwaltungsgericht des Landes, der Staatsrat, den Weg für das Referendum freigemacht. Das Gericht wies Klagen von Bürgern gegen die Volksabstimmung ab. «Das Referendum findet statt», sagte Richter Nikolaos Sakellariou.
Bei der Abstimmung sollen die Griechen sagen, ob sie Forderungen der Gläubiger zustimmen oder sie ablehnen. Das Hilfspaket, zu dem diese Bedingungen gehören, ist allerdings am 30. Juni ausgelaufen und damit überholt.
Dennoch gilt das Votum der griechischen Bevölkerung nach ergebnislosen Verhandlungen als wichtiges Signal für die zukünftige Kooperation des hoch verschuldeten Landes mit seinen Gläubigern.
Tsipras hat seine politische Zukunft indirekt mit der Abstimmung verknüpft. Sein Finanzminister Gianis Varoufakis will bei einem «Ja» der Griechen zurücktreten. Beide Politiker versprachen ihren Landsleuten, im Falle einer Ablehnung des Reformprogramms falle eine Einigung mit den Gläubigern in Zukunft günstiger aus.
Bei der Volksabstimmung zeichnet sich einer neuen Umfrage zufolge eine äusserst knappe Entscheidung ab. 41,7 Prozent der Befragten zeigen sich demnach mit den Forderungen der Gläubiger einverstanden, 41,1 Prozent kündigten ein «Nein» beim Referendum am Sonntag an.
Das ergab eine Umfrage, die am Freitagabend im griechischen Nachrichtenportal «To Proto Thema» veröffentlicht wurde.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte die Griechen eindringlich davor, gegen die von den Geldgebern geforderten Reformen zu stimmen. «Wenn die Griechen mit Nein stimmen, wird die griechische Verhandlungsposition dramatisch schwach sein», sagte Juncker in Luxemburg.
Der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, wollte den Griechen dagegen keine Empfehlung für ihre Stimmabgabe geben. «Nein, die Griechen müssen selbst entscheiden, es ist ihre Zukunft, ihr Land», sagte der niederländische Finanzminister.
Die Europäische Zentralbank beobachtet die Entwicklung in Athen mit kritischem Blick. «Wir müssen die Aussichten für eine Einigung mit Griechenland und seinen Gläubigern bewerten», sagte deren Vizepräsident Vítor Constâncio. Die Frankfurter Währungshüter spielen in der Krise eine entscheidende Rolle, weil das griechische Bankensystem nur noch dank Nothilfen der Zentralbank funktioniert.
Eine Ablehnung der bisherigen Vorschläge der Gläubiger durch die Wähler würde nach Constâncios Worten zudem eine Einigung mit den Gläubigern schwieriger machen.
Tsipras hatte die Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Gläubiger überraschend vor knapp einer Woche angekündigt, was die Verhandlungen der Euro-Finanzminister mit dem hoch verschuldeten Land scheitern liess. Das bisherige Hilfsprogramm für Athen lief am Dienstag aus, noch offene Milliardenhilfen verfielen damit.