Gescheiterter Staat am Mittelmeer
Wie gefährlich ist Libyen für Europa?

Zwei Regierungen, unzählige Konfliktparteien, eine Terror-Organisation, die in diesem Chaos fruchtbaren Boden gefunden hat. Die Situation in Libyen gibt Anlass zu Diskussionen um eine erneute Militärintervention in dem gescheiterten Staat am Mittelmeer.
Publiziert: 26.12.2015 um 20:26 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 01:49 Uhr
Libysche Soldaten im Gefecht mit Milizen rund 120 Kilometer von der Hauptstadt Tripolis entfernt.
Foto: KEYSTONE/AP/MOHAMED BEN KHALIFA

Nach dem Sturz und der Ermordung von Muammar al-Gaddafi 2011 ist Libyen zwar seinen Diktator los. Dafür ist das Land in einem blutigen Bürgerkrieg versunken. Heute hat Libyen eine international anerkannte Regierung in der östlichen Stadt Tobruk, die Hauptstadt Tripolis wird von einer anderen, islamistischen Regierung beherrscht.

Der Westen ist alarmiert: Weite Teile des Landes entziehen sich der Kontrolle jeglicher Staatsmacht und sind somit ein fruchtbarer Boden für allerhand Milizen und machthungrige Stammesfürsten. Besonders prekär ist die Situation in Sirte, wo sich die Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) eine libysche Basis aufgebaut hat.

Friedensplan auf wackligen Beinen

Vergangene Woche wurde im marokkanischen Badeort Skhirat ein unter Uno-Vermittlung ausgearbeiteter Friedensplan unterzeichnet. Das Papier sieht unter anderem die Bildung einer Einheitsregierung vor. Diese – so erwarten es Experten – wird den Westen dereinst um militärische Hilfe im Kampf gegen den IS bitten.

Doch während der Friedensplan vom Westen und Russland unterstützt wird, steht er in Libyen selber auf wackligen Beinen. Im international anerkannten Parlament befürworten ihn weniger als die Hälfte der Abgeordneten, im Parlament in Tripolis nur etwa ein Drittel. Die Präsidenten beider Parlamente lehnen ihn ab. Kritiker befürchten, die neue Einheitsregierung könnte in Wirklichkeit dazu führen, dass sich in Libyen letztendlich drei Regierungen konkurrenzieren werden.

Italien will Führungsrolle übernehmen

«Das Abkommen bedeutet, dass die internationale Gemeinschaft sich jetzt in Libyen gemeinsam mit einer vereinigten, repräsentativen Regierung im Kampf gegen den IS und gegen Menschenschmuggler engagieren kann», sagte der britische Premier David Cameron letzte Woche hoffnungsvoll. Italien zeigte sich bereit, eine allfällige friedenserhaltende Massnahme mit Bodentruppen anzuführen.

Anlass zu internationaler Sorge geben neben dem politischen Chaos, der Ausbreitung des IS, der geografischen Nähe zu Europa und den Flüchtlingen, die über Libyen nach Europa geschmuggelt werden, auch in offiziellen Ämtern gestohlene Blanko-Pässe. Wie die «Welt am Sonntag» am Wochenende vor Weihnachten berichtete, soll sich der IS in Syrien, im Irak und in Libyen Zehntausende solche Dokumente beschafft haben. Sicherheitsbehörden befürchten, dass diese nun dazu benutzt werden, Attentäter als Flüchtlinge getarnt nach Europa zu schleusen. (noo)

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