Die Lacher hat Gerhard Schröder (74) schon zu Beginn auf seiner Seite. Der SPD-Politiker sei «einer der besten Kanzler, die Deutschland je hatte» gewesen, stellt ihn Autor und Unternehmer Rolf Dobelli (52) am Donnerstagabend in Zürich vor. «Sagt das bitte meiner Partei», antwortet der deutsche Altkanzler nur trocken.
Er spielt auf die Arbeitsmarktreform «Agenda 2010» an, die Deutschland wirtschaftlich vorangebracht hat. Schröder kostete sie aber nicht nur die Beliebtheit, sondern auch die Kanzlerschaft. Bis heute hadern die Genossen mit ihm.
Friedrich Merz bedient die ökonomische Sehnsucht der CDU
Im Interview mit Ringier-CEO Marc Walder (53) auf der Bühne des Kaufleuten am Pelikanplatz kritisiert Schröder seine Partei dafür, nicht zu wirtschaftlich sinnvollen Entscheidungen wie der ungeliebten Agenda zu stehen. «Das hat die SPD ökonomische Kompetenz gekostet», resümiert er über die Volkspartei, die in Umfragen nur noch auf magere 15 Prozent kommt.
In der CDU beobachte er das Gegenteil: Dort gebe es eine Sehnsucht, zum «ökonomischen Kern» zurückzukehren. Darum sei auch klar, wer heute auf dem CDU-Parteitag das Rennen um Merkels Nachfolge mache: «Ich glaube, Merz gewinnt.» Zum einen, weil Wolfgang Schäuble (76) sich als Übervater für ihn ausspricht. Zum anderen aber auch, weil Merz den Wunsch vieler CDU-Mitglieder repräsentiere, wieder den Markenkern zurückzugewinnen.
Kündet die SPD bald die GroKo?
Für die Grosse Koalition (GroKo) könnte die Merz-Wahl entscheidende Auswirkungen haben: «Wenn der Vorsitzende ein neues Profil für seine Partei gewinnen will und das zulasten des Juniorpartners geht, könnte die SPD die GroKo aufkünden.»
Auch über Angela Merkel spricht der Altkanzler im halbstündigen Interview. Und gesteht über die Flüchtlingskrise 2015: «Ich hätte die Grenzen auch aufgemacht!» Allerdings, schränkt er ein, hätte die Registrierung und Verteilung der Flüchtlinge besser klappen müssen. Denn: «Die Ausnahmesituation wurde nicht aufgefangen.»
Zudem habe Merkel die europäischen Partner, insbesondere Frankreich, bei der Entscheidung nicht mitgenommen. «Angela Merkel hatte ein Herz – aber keinen Plan.»