Die Navajos leiden. Der Anblick ist für die Mitglieder des zweitgrössten indianischen Volkes der USA kaum zu ertragen: Wo vor ein paar Tagen noch glasklares Wasser floss, schlängelt sich zurzeit eine träge senfgelbe Brühe durch das Flussbett.
Der Animas Rivers ist vergiftet. Verantwortlich dafür ist ausgerechnet die US-Umweltschutzagentur EPA, der bei Versuchstests in einer stillgelegten Goldmine im Bundesstaat Colorado ein folgenschwerer Fehler unterlief. Arbeiter hatten am vergangenen Mittwoch einen Damm beschädigt, der das Abwasser hätte zurückhalten sollen.
Als Folge davon gelangten rund elf Millionen Liter an toxischem Abwasser in den Animas River und anschliessend in den Fluss Suan Juan im Bundesstaat New Mexico sowie in den Nachbarstaat Utah, wo sie nun in Richtung des Grand Canyon fliessen.
Nach ersten Tests durch EPA soll das Wasser des Flusses Spuren von Kadmium, Blei, Aluminium, Kupfer und Arsen enthalten. In Colorado und New Mexiko wurde deshalb der Notstand ausgerufen. Die Städte entlang der betroffenen Flüsse drehten die Trinkwasserpumpen ab. Kajak- und Raftingtouren auf dem Animas und dem Suan Juan wurden vorübergehend verboten.
«Die Flüsse sind unsere Lebensversicherung»
Die Navajos trifft die Umweltkatastrophe besonders hart. Südlich der Grenze zwischen Colorado und New Mexiko liegt das Navajo Nation Reservation, das grösste Indianerreservat der Vereinigten Staaten.
Das indianische Volk fürchtet um seine Existenz. «Unsere Seele schmerzt», sagt Russell Begaye, Präsident von Navajo Nation, zu «ABC News». «Täglich kommen Menschen zu mir und fragen, ob es sicher sei, das Wasser zu trinken. Der Animas River und der San Juan River sind unsere Lebensversicherung.»
Doch nicht nur das Trinkwasser werde knapp. Die schwindenden Wasserreserven bedrohen auch die Landwirtschaft, sagt Begaye. «Wir befinden uns mitten in der Erntesaison. Das Überleben der Navajos hängt von der Getreideernte ab. Ohne Wasser sind wir verloren.»
Auch Las Vegas und Los Angeles bedroht
Noch sind sich die Experten der EPA nicht sicher, wie gross die Umweltgefahr tatsächlich ist. Klar ist: In etwa fünf Tagen wird das verseuchte Wasser den Lake Powell erreichen, einen Trinkwasserspeicher für die Grossstadt Las Vegas, wie der Umweltaktivist Zach Frankel von der Organisation Utah Rivers Council, bestätigt.
Von da werde das belastete Wasser über den Colorado-Fluss durch den Grand Canyon und schliesslich in den Meade-Stausee fliessen, einen wichtigen Trinkwasserspeicher für Los Angeles und andere Teile Südkaliforniens. Dadurch werde die Grundbelastung des Wassers durch krebserregende Stoffe für die Menschen in der Region erhöht, warnt Frankel.
«Es wird lange dauern, bis wir uns davon erholt haben», prophezeit Russell Begaye. «Bis sich die Flüsse komplett regeneriert haben, könnten Jahrzehnte vergehen.» (gr)