Auf einen Blick
- Russland zahlte Taliban für Tötung von US-Soldaten in Afghanistan
- Geheimdienst nutzte Edelsteinhandel als Deckmantel für Geldtransfer an Taliban
- Moskau gab insgesamt etwa 30 Millionen Dollar für Angriffe auf Koalitionstruppen aus
Das oppositionelle russische Investigativportal «The Insider» hat eine umfangreiche Recherche veröffentlicht, die zeigt, wie Russland Kopfgeld auf in Afghanistan getötete US-Soldaten aussetzte. Pro Tötung winkten 200'000 Dollar.
«Wie die russische Militäraufklärung die Taliban nutzte, um US-Truppen am Ende von Amerikas längstem Krieg zu dezimieren» – so lautet der Titel der Recherche, die detaillierten Einblick in die Operationen gibt. Eine Einheit des russischen Auslandsmilitärgeheimdienstes GRU führte das Prämienprogramm.
Bündel mit Dollarnoten
Das Programm galt der Jagd auf US- und Koalitionstruppen. In einem Fall postete ein junger Afghane nach einer mutmasslichen Tötung Fotos von zwei Bündeln mit Dollarnoten – ein Bündel mit jeweils etwa 100'000 Dollar.
Die Recherchen ergaben, dass das GRU-Programm offenbar durchschnittlich 200'000 Dollar pro getötetem amerikanischen oder Koalitionssoldaten zahlte. Die Tötungen erfolgten zwischen 2016 und Anfang 2020. Es werden keine genauen Angaben darüber gemacht, wie viele US- und Koalitionssoldaten direkt durch dieses Programm eliminiert wurden. Es wird lediglich angedeutet, dass die Zahl der Opfer erheblich sein könnte.
Den USA «eine blutige Nase verpassen»
Es gab auch kleinere Zahlungen für die Tötung afghanischer Militärangehöriger. Für eine Attacke, bei der 23 afghanische Soldaten starben, habe die GRU «mindestens 500'000 Dollar, wahrscheinlich eher 600'000 Dollar ausgegeben».
Ein hoher ehemaliger russischer Beamter wird zitiert, wonach Russland insgesamt etwa 30 Millionen Dollar an das Netzwerk ausgezahlt habe, das für diese Angriffe verantwortlich war. «30 Millionen Dollar waren ein kleiner Betrag», wird ein ehemaliger afghanischer Sicherheitsoffizier zitiert, «um den Vereinigten Staaten eine blutige Nase zu verpassen.»
CIA-Operation war Vorläufer
Der Betrag ist ein Bruchteil im Vergleich zu den drei bis vier Milliarden Dollar, die der US-Geheimdienst CIA in den 1980er Jahren für die verdeckte Operation Zyklon zur Finanzierung, Bewaffnung und Ausbildung der Mudschaheddin ausgab, um die Sowjetarmee aus Afghanistan zu vertreiben.
Die GRU nutzte ein Edelsteinhandelsunternehmen als Deckmantel, um ein Netzwerk afghanischer Kuriere zu betreiben. Diese lieferten das Geld an Taliban-Kämpfer und andere militante Gruppen. Nach Abschluss ihrer Missionen wurden diese Kuriere mit russischen Dokumenten und Asyl in Russland belohnt.
Die umfassenden Recherchen zogen sowohl russische als auch afghanische Sicherheitsquellen mit ein. Nicht nur die Existenz des Programms, sondern auch Namen von beteiligten GRU-Offizieren wurden aufgedeckt. Das Team von «The Insider» rekonstruierte die Reisebewegungen der afghanischen Kuriere und verknüpfte diese mit bekannten Angriffen auf US- und Koalitionstruppen.
Berüchtigte GRU-Einheit 29155
Das Tötungsprogramm gehörte zu einer breiteren Strategie Russlands, um den Feind durch geheime Operationen zu destabilisieren. Der gleichen GRU-Einheit 29155 werden auch Mordversuche und Vergiftungen in Nato-Ländern zugeschrieben.
«The Insider» stand im Rahmen der Recherchen auch mit drei ehemaligen 29155-Agenten in Kontakt. Laut den jetzt aufgedeckten Informationen führten die Russen damit in Afghanistan indirekt Krieg gegen die US-Streitkräfte.