Gefahr noch nicht gebannt
So kämpft Griechenland gegen die Flammen

Mit dem Mut der Verzweiflung steht ein Mann in Jeans und T-Shirt vor den meterhohen Flammen. Die Corona-Maske zum Schutz gegen den Rauch über Mund und Nase gestülpt, richtet er den Gartenschlauch auf das wütend fauchende Gestrüpp vor sich.
Publiziert: 06.08.2021 um 15:39 Uhr
Feuerwehrleute versuchen einen Waldbrand in einem Waldgebiet nördlich von Athen zu löschen. Seit den frühen Morgenstunden fachten starke Westwinde am Freitag die zahlreichen Feuer weiter an. Foto: Angelos Tzortzinis/dpa
Foto: ANGELOS TZORTZINIS

Hinter ihm ragt sein Haus in die Höhe, verschwitzte Nachbarn eilen mit Wassereimern zu Hilfe. Das Feuer zu löschen scheint unmöglich. Und doch gelingt es den Menschen, die Flammen so lange aufzuhalten, bis ein Löschzug der Feuerwehr anrückt. Der Mann in der Nähe des Ortes Afidnes nördlich von Athen hat vorerst Glück gehabt. Doch die Gefahr ist noch längst nicht gebannt, noch für viele Tage nicht.

Es sind diese Bilder der Machtlosigkeit, die Griechenland verzweifeln lassen. Interviews mit weinenden Menschen, die alles verloren haben. Aufnahmen von lodernden Wäldern, zu Gerippen verkohlten Häusern, fliehenden Tieren und verbrannten Kadavern. Von eitergelben Rauchwolken, die in den Himmel ragen, vom nächtlichen, glutroten Feuerschein hinter den Hügeln und dem explosionsartigen Funkenregen, der aus vertrockneten Pinien sprüht. Klein wirken die Löschflugzeuge und Hubschrauber, die immer wieder anfliegen, lächerlich gering die Mengen Wasser, die sie über den Flammen ausschütten.

Griechenland durchlebt die schlimmste Brandkatastrophe seit den verheerenden Feuern im Jahr 2007. Damals waren nach einer ähnlichen Hitzewelle im Westen des Peloponnes Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Nur beim Brand in der Ortschaft Mati östlich von Athen wurden 2018 mit 100 Toten noch mehr Opfer beklagt. Doch dort waren die Umstände vor allem lokal bedingt: Der Wind trieb das Feuer und mit ihm die Menschen ins Meer, aus der zugebauten Ortschaft mit illegal gezogenen Zäunen und Mauern gab es kein Entkommen.

Es ist ein Wunder, dass bei der diesjährigen Brandkatastrophe noch niemand ums Leben gekommen ist. Oder vielleicht auch nicht: Die Regierung hat aus den vergangenen Katastrophen gelernt. Wurden die Menschen 2007 von den Flammen völlig überrascht und zum Teil umzingelt, evakuiert Athen jetzt bereits Stunden bevor das Feuer die ersten Häuser erreicht. Der Staat nutzt dazu eine Not-SMS, die auf den Handys der Bürger schrill Alarm schlägt. Zudem gehen Polizisten von Haus zu Haus. Vor allem ältere Menschen wollen ihr Heim oft nicht verlassen, so dass die Beamten handgreiflich werden müssen.

Noch scheint die Regierung die Situation im Griff zu haben, doch die Kritik der Betroffenen wächst und ein Ende der immer neuen Brandherde ist nicht in Sicht. Frühestens am 12. August könnte es regnen, aber kaum jemand schenkt dieser entfernten Prognose eines einzelnen Wetterdienstes Glauben. Ein kurzes Sommergewitter würde ohnehin nicht reichen. Im Gegenteil: Blitze könnten in der vertrockneten Natur neue Feuer entfachen, die auch ein starker Regen nicht löschen würde.

Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis kündigte bereits Hilfen und Entschädigungen an und versprach die Aufforstung verbrannter Gebiete. Man müsse das Land angesichts des Klimawandels «panzern».

Dafür kämpft einer, der schon lange warnt. Klimaforscher Christos Zerefos ist Chef der griechischen Akademie für Forschung und Innovation. Beunruhigend detailliert hat er die jetzige Feuersbrunst vergangene Woche angekündigt. «Wenn dann noch ein Wind mit sechs bis acht Beaufort weht, wie wir es in der Ägäis gewohnt sind, breiten sich die Feuer über grosse Entfernungen aus», prognostizierte er vor kurzem im Fernsehsender Skai. Er sollte Recht behalten.

Griechenland sei vom Klimawandel stark betroffen, die Wüstenbildung im Land schreite voran, sagt Zerefos. «Ja, die Zahl der Opfer geht zurück, aber die Geschwindigkeit des Phänomens nimmt zu», urteilt er über die wiederholten extremen Hitzewellen und Trockenphasen der vergangenen Jahre, die stets grosse Waldbrände zur Folge haben.

Doch das ist noch nicht alles. Zerefos warnt schon vor der nächsten Katastrophe, nämlich starken Überflutungen, sobald im Herbst der erste Regen fällt. Dann, sagt er, werden keine Bäume mehr da sein, um das Wasser aufzuhalten.

(SDA)

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