Gedenken an die «Hölle von Verdun»
Merkel und Hollande warnen vor Spaltung Europas

100 Jahre nach der «Hölle von Verdun» beschwören die einstigen Kriegsgegner ihre Freundschaft. In Zeiten der Flüchtlingskrise hatte der gemeinsame Auftritt von Angela Merkel und François Hollande Symbolkraft.
Publiziert: 29.05.2016 um 19:43 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:49 Uhr
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Gemeinsam besuchten die Regierungschefs den Soldatenfriedhof Consenvoye und die Stadt Verdun.
Foto: JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN / POOL

Die EU befindet sich in der Krise. In diesen schwierigen Zeiten beschworen Angela Merkel (61) und François Hollande (61) gestern die deutsch-französische Freundschaft. Der Anlass war ein trauriges Jubiläum: Die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident gedachten gemeinsam den Opfern der «Hölle von Verdun».

Vor 100 Jahren wurden bei den zehn Monate andauernden Schlachten mehr als 300'000 französische und deutsche Soldaten getötet. Es war ein Auftritt mit Symbolkraft. «Die Kräfte der Spaltung, der Abriegelung, der Abschottung sind wieder am Werk«, warnte Hollande bei der gemeinsamen Gedenkzeremonie.

Ehemalige Gegner beschwören Freundschaft

»Rein nationalstaatliches Denken und Handeln würde uns zurückwerfen«, betonte Merkel, «das gilt für die Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise oder für den Umgang mit den vielen Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, wie auch für alle grossen Herausforderungen unserer Zeit.»

Über zehn Monate lieferten sich die Truppen während des Ersten Weltkriegs mörderische Kämpfe, die als «Hölle von Verdun» bekannt sind. Letztlich veränderten sie aber den Frontverlauf im Ersten Weltkrieg nicht.

Die einstigen Kriegsgegner beschworen bei der symbolträchtigen Veranstaltung mit rund 4000 deutschen und französischen Jugendlichen am Beinhaus von Douaumont ihre Freundschaft.

«Offen füreinander sein»

«Verdun steht für die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges schlechthin», sagte Merkel. Zugleich sei es aber auch ein Symbol der Sehnsucht nach Frieden und der deutsch-französischen Aussöhnung: «Uns trennen keine Gräben mehr.«

Im Beinhaus von Douamont entzündeten die Regierungschefs eine ewige Flamme.
Foto: Mathieu Cugnot

Nach den Worten Merkels wird den Toten der Schlacht dann ein ehrendes Andenken bewahrt, «wenn wir uns die Lehren, die Europa aus den Katastrophen des 20. Jahrhunderts gezogen hat, immer wieder bewusst machen.» Dazu zähle die Fähigkeit und Bereitschaft zu erkennen, wie lebensnotwendig es sei, sich «nicht abzuschotten, sondern offen füreinander zu sein».

Hollande sagte: «Sie denunzieren Europa als Ursache des Übels und vergessen dabei, dass Europa aus dem Unglück geboren wurde.» Der Staatschef beschwor das Friedensprojekt Europa. «Wir wissen ganz genau, dass die Zeit, um es zu zerstören unendlich viel kürzer wäre als die lange Zeit, die nötig war, um es zu bauen.«

Die Europäische Union bleibe eine Referenz für viele Völker, «die von Frieden träumen». Die EU-Staaten hatten in den vergangenen Monaten heftig um den Umgang mit der Flüchtlingskrise gestritten, in zahlreichen Ländern konnten Rechtspopulisten Zugewinne verzeichnen.

Schweigeminute für gefallene Soldaten

Merkel und Hollande entzündeten eine ewige Flamme im Beinhaus von Douaumont, wo die Überreste von 130'000 gefallenen Soldaten liegen, und hielten eine Schweigeminute ab.

Zuvor hatten die beiden bei strömendem Regen auf dem deutschen Soldatenfriedhof Consenvoye innegehalten und die Stadt Verdun besucht. Bei einem Arbeitsessen berieten die beiden Politiker dann über aktuelle politische Themen wie die Flüchtlingskrise und das anstehende Brexit-Referendum.

Der gemeinsame Auftritt Merkels und Hollandes erinnerte auch an das historische Händehalten ihrer Vorgänger Helmut Kohl und François Mitterrand. Über den Gräbern von Verdun hatten die beiden Politiker damit 1984 ein Zeichen deutsch-französischer Versöhnung gesetzt. «Dieses Bild hat sich tief in das Gedächtnis unserer Nationen eingebrannt", betonte Merkel. (SDA/jvd)

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