In Neapel brodelt es. Die Spannung wächst. Das Glück steckt im Stau bis zum grossen Moment. Noch ein paar Tage. Dann kann wohl die Freude aus dem Leib geschrien werden. Dann dürfte ungehemmter Jubel ausbrechen – wie bei der Eruption eines Vulkans. Sogar am Krater des Vesuvs soll eine grosse Party steigen – zum Entsetzen der Behörde des darunter liegenden Nationalparks.
Denn dass Neapel den begehrten Scudetto, den Meistertitel der Serie A, nach Hause trägt, daran hat kein einziger Neapolitaner in diesen Tagen einen Zweifel. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Stand jetzt hat die Mannschaft 17 Punkte Vorsprung auf den ersten Verfolger Lazio Rom – dies bei noch sieben ausbleibenden Spieltagen. Gewinnt Napoli am Sonntag gegen die US Salernitana und gibt Lazio wenige Stunden zuvor gegen Inter Mailand Punkte ab, ist schon nach diesem Spieltag alles klar. Denn dann wären die Süditaliener nicht mehr einzuholen. Und die Party am Vesuv könnte beginnen.
Es wäre ein rauschendes Fest nach ewigem Warten: 33 Jahre ist es her, als das Team aus Kampanien zum letzten Mal den Scudetto holte. 1990 war es – und der Superstar der Mannschaft hiess noch Diego Armando Maradona (†60). Er war der damalige Napoli-Gott – und gewann mit seinen Mitspielern den trichterförmigen Gold-Pokal.
«Wenn Neapel gewinnt, dann drehen hier alle durch»
Egal, was dieses Wochenende resultatemässig passiert: Schon jetzt versinkt die süditalienische Hafenstadt in Himmelblau, der Farbe der SSC Napoli. Kaum ein Balkon ohne Wimpel, kaum ein Fenster ohne Fahne. Pappfiguren der Fussball-Helden stehen in den Gassen fürs Selfie. Von den Fassaden kickt ein aufgemalter Maradona in Übergrösse. Und überall wurden Vulkan-Attrappen aufgestellt, die dann blaue Funken speien. «Wenn Neapel gewinnt, dann drehen hier alle durch», sagt Vereinspräsident Aurelio De Laurentiis (73), «aber eigentlich sind schon jetzt alle verrückt geworden.»
So verrückt, dass Fans sogar den Krater des Vesuvs besetzen wollen, um dort dreifarbige Rauchbomben zu zünden. Die Nationalparkbehörde erfuhr vom ultimativen Party-Knaller aus den italienischen Medien und reagierte mit Vehemenz. An den Flanken des Vulkans erstrecke sich ein Waldschutzgebiet. Dort zu feiern störe nicht nur Flora und Fauna, sondern sei auch für Menschen gefährlich, so die Verwaltung. Gesagt, getan. Mit Hochdruck werden nun örtliche Polizeikräfte der Vesuv-Gemeinden und Carabinieri des Vesuv-Parks den Grosseinsatz vorbereiten. Alle Zugangsbereiche zum Krater müssen geschlossen und bewacht werden.
Keine Genehmigung für die Krater-Party
Denn die geplante Gaudi erhielt keine Genehmigung. «Sie kann unmöglich erteilt werden», sagt der ausserordentliche Kommissar der Vesuv-Nationalparkbehörde, Rechtsanwalt Raffaele De Luca. «Weil das, was vorgeschlagen wird, den Schutzvorschriften und dem gesunden Menschenverstand widerspricht.»
Menschenverstand hin oder her. Der wird am kommenden Wochenende sicher vielerorts in Neapel ausser Kraft gesetzt – sollte die SSC den Titel eintüten. Und wenn nicht gerade der Vesuv seine Lava spuckt, so strömen auf jeden Fall Bier, Wein und Freudentränen. Und die Lage wird auch ohne Vulkan hochexplosiv. Damit zumindest rechnet die Stadtregierung.
Autos werden aus dem Stadtzentrum verbannt, der ÖV ausgebaut. Die Einsatzkräfte werden verstärkt. Alle Spitäler sind in Alarmbereitschaft. An zehn Punkten in der Altstadt stehen Notaufnahmen und Dutzende von Sanitätertrupps bereit.