Damals der US-Präsident, der offen mit dem Ausstieg seines Landes aus der Nato drohte und sich in Helsinki bei einem denkwürdigen Auftritt Schulter an Schulter mit Kremlchef Wladimir Putin zeigte. Heute der US-Präsident, der beim Nato-Gipfel in Vilnius gerade erneut die Bedeutung des Bündnisses in Kriegszeiten betonte, die eben jener Putin herbeigeführt hat.
Zwischen dem letzten Besuch eines amerikanischen Präsidenten in Helsinki und demjenigen an diesem Donnerstag liegen Welten und nicht zuletzt der alles verändernde russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Eindrücke des Krieges haben Finnland letztlich nach jahrzehntelanger militärischer Bündnisfreiheit dazu bewegt, die Mitgliedschaft in der Nato zu beantragen. Seit Anfang April ist das nördlichste Land der EU offizielles Mitglied der Allianz, nun bekommt es - direkt nach dem Nato-Gipfel in Vilnius - Besuch vom Staats- und Regierungschef des mächtigsten Nato-Verbündeten: US-Präsident Biden ist zu Gast.
Der finnische Präsident Sauli Niinistö wollte den 80-jährigen Biden in den Mittagsstunden zunächst im Präsidentenpalast in Helsinki zu einem bilateralen Treffen empfangen. Später war ein Mini-Gipfel mit den Regierungschefs der weiteren nordischen Länder Dänemark, Norwegen, Schweden und Island geplant, bei dem es vor allem um eine engere Zusammenarbeit bei der Sicherheit, dem Umweltschutz und Technologien gehen sollte. Abgerundet werden sollte Bidens Tag in der finnischen Hauptstadt am Abend mit einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Niinistö.
Mit im Gepäck hat Biden eine klare Botschaft zur Bedeutung der Nato - und damit eine, die so ganz anders ist als die, die Trump vor fünf Jahren in Helsinki aussendete. Bidens Amtsvorgänger hatte während seiner Amtszeit immer wieder gegen die Nato gepoltert und ihre Daseinsberechtigung ein ums andere Mal infrage gestellt. Ganz anders dagegen Biden. Das Bündnis bleibe ein «Bollwerk der globalen Sicherheit und Stabilität», sagte Biden nach Abschluss des Gipfels bei einer Rede an der Universität in Vilnius. Das Bündnis sei stärker, energiegeladener und geschlossener denn je.
Biden ist sich der Bedeutung der Sicherheit Europas auch für die USA bewusst. Regelmässig hebt er die Relevanz starker Allianzen in einer sich verändernden Welt vor, so auch in Vilnius. «Deswegen habe ich mich als Präsident so sehr darauf konzentriert, die Bündnisse wiederaufzubauen und wiederzubeleben, die den Eckpfeiler der amerikanischen Führungsrolle in der Welt bilden.» Die Beziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten seien ein «Anker für die globale Stabilität», betonte er auch vor jubelnden litauischen Studenten.
Biden zeigt klare Kante gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, wird nicht müde, den Krieg Russlands in der Ukraine zu verurteilen und unterstützt das angegriffene Land mit Milliarden. «Wir werden nicht wanken. Wir werden nicht wanken», rief Biden auf der Bühne in Vilnius. Putin verstehe es immer noch nicht, dass die Verbündeten niemals von ihren Werten abrücken würden. «Unser Engagement für die Ukraine wird nicht nachlassen, wir werden für Freiheit und Unabhängigkeit eintreten, heute, morgen und so lange es dauert», sagte Biden.
Ganz anders Trump: Der gab bei dem Treffen mit Putin am 16. Juli 2018 in Helsinki eine denkwürdige Pressekonferenz und äusserte offen Zweifel an den Erkenntnissen der US-Geheimdienste zur russischen Einmischung in die US-Wahlen 2016 - jenen Wahlen, bei denen sich der Republikaner im Kampf ums Weisse Haus letztlich gegen die Demokratin Hillary Clinton durchsetzte. Für seine Aussagen erntete Trump in den USA prompt heftige, parteiübergreifende Kritik. Für Putin hätte dieser Auftritt nicht besser laufen können, für die Vereinigten Staaten erwies er sich als Bärendienst. Später machte Trump unter Druck diverse Rückzieher und behauptete, sich versprochen und das genaue Gegenteil gemeint zu haben.
Ein solches Chaos ist bei Biden nicht zu erwarten. Bei ihrer klaren Verurteilung des russischen Kriegs in der Ukraine sind sich die US-Regierung und ihre Partner in den nordischen Hauptstädten Helsinki, Stockholm, Kopenhagen, Oslo und Reykjavik vollkommen einig. Die Nordländer haben die Ukraine zudem mit zahlreichen Hilfspaketen militärisch wie auch finanziell und humanitär kräftig unterstützt.
Finnland grenzt auf einer Länge von rund 1340 Kilometern an Russland und hat damit die mit Abstand längste Grenze aller EU-Länder zu dem Riesenreich im Osten. Die Nato-Aussengrenze zu Russland hat sich durch den finnischen Beitritt mehr als verdoppelt. Diese Grenze ist an ihrem dichtesten Punkt nur rund zwei Autostunden von Helsinki entfernt - Biden dürfte sie während seiner Reise aber nicht besuchen.
Natürlich wird auch Schwedens erhoffter Nato-Beitritt in Helsinki eine Rolle spielen. Am Vorabend des Nato-Gipfels hatte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson einen Deal mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ausgehandelt, der die Blockade der Türkei hinsichtlich des schwedischen Beitritts ein für alle Mal beseitigen soll. Aussagen von Erdogan nach Gipfelende deuteten jedoch darauf hin, dass sich Schweden wohl trotzdem noch Monate gedulden werden muss.
Die US-Regierung hofft dagegen ebenso wie die Nato, dass die Aufnahme der Schweden so bald wie möglich geschieht. Wenige Tage vor dem Gipfel versicherte Biden Kristersson bei einem Besuch im Weissen Haus, dass die USA den Beitritt des «fähigen und engagierten Partners» Schweden herbeisehnten. Auch von Helsinki dürfte somit ein Signal ausgehen, dass Schweden in den Kreis der Nato-Staaten gehört. Die USA, Finnland, Dänemark, Norwegen und Island sind allesamt Mitglieder - Schweden fehlt dagegen weiterhin die türkische Ratifizierung und auch diejenige Ungarns, um letztlich 32. Nato-Mitglied zu werden.
(SDA)