Früherer Regierungschef Thailands begnadigt
Nach Coups, Exil und Haft kehrt Thaksin endlich nach Hause zurück

Er war der grösste Wahlsieger in der Geschichte des Landes – dann wurde er weggeputscht und ins Exil gezwungen: Nach Jahren auf der Flucht durfte Thailands Ex-Premier Thaksin Shinawatra heute zurück nach Hause. Doch nicht, dass im Königreich jetzt Demokratie herrscht.
Publiziert: 18.02.2024 um 02:42 Uhr
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Aktualisiert: 18.02.2024 um 09:42 Uhr
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Nach mehr als 15 Jahren Verfolgung und Exil endlich zurück zu Hause: Der thailändische Ex-Premier Thaksin Shinawatra ist nach einer königlichen Begnadigung am frühen Sonntag in die Freiheit entlassen worden.
Foto: AFP
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Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

Nie in Thailands Geschichte hatte ein Politiker Wahlen mit grösseren Mehrheiten gewonnen als Thaksin Shinawatra (74). Er war weggeputscht, angeklagt, ins Exil verstossen und verurteilt worden. Selbst Nachfolgeregierungen in seinem Namen, so seine regierende Schwester Yingluck Shinawatra (56) oder sein Statthalter Samak Sundaravej (1935–2009) – letzterer wegen einer angeblich illegalen Kochshow: Sie alle wurden mit Verfassungscoups um ihre Wahlsiege betrogen. Machtraub in Reinform: Thailands mächtige, schattenhafte Machthaber im Hintergrund haben der legitim gewählten Regierung fast zwei Jahrzehnte lang den Prozess gemacht und eigene Getreue an die Macht gesetzt.

Jetzt scheint der Bann gebrochen. Ehemalige Erzfeinde reichen sich die Hand. Lange Jahre galt er als der Hochverräter der Nation. Seit Sonntagmorgen ist er frei: Nach mehr als 15 Jahren im Exil ist Thailands so populistischer wie umstrittener Ex-Premier Thaksin Shinawatra in Bangkok auf Bewährung in die Freiheit entlassen worden.

Der angeblich schwer kranke Patient hatte am frühen Sonntag mit seinen Kindern das Police General Hospital in Bangkoks Downtown verlassen. Dort war er seit seiner Rückkehr letzten August nach Thailand behandelt worden – oder wie alle in Thailand wissen: Dort hatte Häftling Thaksin unter höchster Geheimhaltungsstufe eine Sonderbehandlung genossen, bis er für eine königliche Begnadigung infrage kam.

Mit Nackenstütze nach Hause

Thaksin trug eine Nackenstütze, als er um 6.09 Uhr in einer Limousine mit seinen Kindern das Spital verliess und eine halbe Stunde später in seiner lange verwaisten Residenz eintraf. Dort wimmelte es von Anhängern und Reportern. Bilder zeigen einen ungerührt dreinblickenden Thaksin, der kein Lächeln über die Lippen bringt.

Natürlich ists eine von langer Hand her eingefädelte Schimäre, dass Thaksin jetzt auf Bewährung freigelassen wurde. Acht Jahre Haftstrafe wegen angeblicher Korruption und Machtmissbräuche haben sich jetzt in Luft aufgelöst – vorgeblich wegen seines vorgerückten Alters. Doch Thaksins Partei ist an der Macht und stellt den Regierungschef – doch nur, weil die wahren Wahlgewinner von letztem Jahr wieder von Richtern von der Macht verdrängt worden waren. Die königsfeindliche Haltung der siegreichen Opposition, das war Wind auf die Mühlen des palastnahen Establishments.

Land jetzt mit zwei Regierungschefs?

Jetzt wird Thailand de facto zwei Premierminister haben – den offiziellen Srettha Thavisin (62) von der koalitionsführenden Pheu Thai («Partei für Thais») und Thaksin, den wahren starken Mann von Pheu Thai, über den auch im Exil alle Fäden liefen. Thaksin ist der grosse «phu yai», «mächtige Mann», im Hintergrund. Premier Srettha hat bereits angedeutet, dass er Thaksin wohl ein Regierungsamt anbieten werde.

Den eigentlich legitimen Machthabern von Thailand – der Fortschrittspartei (MFP), die letztes Jahr einen überraschend deutlichen Wahlsieg feierte – droht gar die Parteiauflösung, während die konservativen etablierten Kreise weiter ihre Macht zementieren.

Dies ist möglich, weil die Putschgeneräle eine Verfassung ausgearbeitet haben, die ungewählten Senatoren grosse Macht gibt. Die handverlesenen, armeetreuen Senatoren haben auch das Sagen bei der Wahl des Premierministers. Selbst ein Erdrutschsieg der Opposition ist damit von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Zuletzt auch noch Wahlschweizer

Wie die «SonntagsZeitung» unlängst berichtete, hatte Thaksin die letzte Zeit vor der Rückkehr nach Thailand in der Schweiz verbracht. Als damals noch verurteilter Ex-Premier war er ins Wallis nach Crans-Montana gezogen.

Der Genfer Politiker Eric Stauffer (59), der sich selber nur als «Freund der Familie» des Shinawatra-Clans bezeichnet, half ihm dabei. Die Schweizer Behörden hatten Thaksin die Aufenthaltsbewilligung gewährt – trotz Verurteilung und eines Haftbefehls in Thailand, die für die meisten im Königreich als politisch motiviert galten.

Nach langen Jahren auf der Flucht, mit Aufenthalten vorab in London und Dubai, ist Thaksins Exilsaga nun zu Ende. Erstmals seit 17 Jahren, wie das Thai-Onlineportal The Nation vorrechnet, setzt er wieder einen Schritt über die eigene Türschwelle. Die umstrittenste Person in Thailands jüngerer Geschichte scheint – vorerst – rehabilitiert.

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