Saif al-Islam Gaddafi (44) ist wieder auf freiem Fuss. Der zweitälteste Sohn des ehemaligen libyschen Diktators Muammar Gaddafi (†69) sass fünfeinhalb Jahre im Gefängnis.
Nach dem Sturz und der Ermordung seines Vaters am 20. Oktober 2011 hatten ihn Rebellen gefangen genommen und in Sintan, 150 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Tripolis, in ein Gefängnis gesteckt. Sie weigerten sich, ihn dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (Niederlande) auszuliefern.
2015 wurde er in Tripolis in Abwesenheit wegen Anstiftung zum Mord und der Vergewaltigung zum Tode verurteilt. Wegen Einspruch seines Verteidigers wurde das Urteil aber nicht vollstreckt.
Er will die Nation versöhnen
Jetzt könnte der Tyrannen-Sohn zum Hoffnungsträger für Libyen werden. Sein naher Verwandter Ahmed Muhareb Gaddafi sagte dem Russen-Info-Portal «Sputnik», dass Saif Führer der nationalen Versöhnung werden wolle. «Er wird in seiner Rede die Libyer zur Konsolidierung auffordern, um der Anarchie, dem bewaffneten Bruderzwist, ein Ende zu setzen, um die Heimat und deren territoriale Integrität zurückzugewinnen, die Waffen zu strecken, Reformen der Staatsstrukturen durchzuführen und einen Rechtsstaat bilden zu können», erklärte Ahmed Muhareb Gaddafi.
Gaddafi das kleinere Übel
Zurzeit gibt es in Libyen eine Doppelherrschaft. Im Osten regiert ein vom Volk gewähltes Parlament, im Westen die unter UN-Unterstützung gegründete Regierung der Nationalen Einheit.
Es herrscht Chaos. Viele Libyer wünschen sich eine Stabilität, wie sie unter Vater Gaddafi einigermassen geherrscht hatte. Sie sagen: Gaddafi war das kleinere Übel als die Situation heute.
Laut BBC sehnen viele Libyer die alten Tage zurück. Daher ist für sie der Name Gaddafi kein Tabu. Erst recht nicht, wenn es sich um Saif handelt. Denn der zweitälteste Sohn des ehemaligen Diktators gilt als gemässigter Mann. Er hatte in öffentlichen Auftritten immer wieder die Politik seines Vaters hinterfragt und Reformen gefordert. Er wurde schon damals als möglicher Nachfolger von Muammar Gaddafi gehandelt.
Verwandter kündigt Überraschung an
Saif hat Ingenieurwissenschaften studiert, schrieb in London seine Dissertation über «Die Rolle der Zivilgesellschaft für die Demokratisierung globaler Regierungsinstitutionen» – vermutlich wurde die Arbeit von Beratern verfasst.
Noch hält sich Saif aus Sicherheitsgründen versteckt. Sein Verwandter Ahmed Muhareb Gaddafi verspricht aber: «Nach der Freilassung des Ingenieurs Saif al-Islam erwartet die Welt in den kommenden Tagen eine grosse Überraschung.»