Das Gesetz in Deutschland gilt als grosser Sieg der SPD in der grossen Koalition und als persönlicher Erfolg der Ministerin Manuela Schwesig. Als «historischer Schritt» wurde die Einführung der Frauenquote in Unternehmen gefeiert. Doch gut sechs Monate nach der Verabschiedung gibt es Zweifel an der Praktikabilität. Am 30. September (Mittwoch) läuft eine wichtige Frist zur Umsetzung ab.
Dabei geht es um Stufe zwei des Gesetzes «für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst». Kontrovers ist gar nicht so sehr die verbindliche Mindestquote von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten der etwa 100 grössten börsennotierten und gleichzeitig mitbestimmungspflichtigen Unternehmen.
Sondern es geht um die rund 3500 Unternehmen aus der zweiten Reihe, die bis zum Monatsende zunächst intern selbst gesetzte Quotenziele (sogenannte Flexi-Quoten) für den Aufsichtsrat, Vorstand und darunter liegende Hierarchiestufen benennen müssen.
Nach einer Studie der Unternehmensberatung HKP hatte wenige Wochen vor dem 30. September nicht einmal jedes vierte Unternehmen Zielquoten und Fristen tatsächlich definiert. Jedes fünfte Unternehmen äusserte die Sorge, es könne die formalen Vorgaben des Gesetzgebers nicht fristgemäss einhalten. Nach Angaben aus der Industrie werden sich viele Unternehmen zunächst einmal die «Zielgrösse 0» setzen. Das kann man als Unterlaufen des Gesetzes interpretieren.
Schwesig gibt sich unbeirrt: «Mit dem Gesetz machen wir Druck», sagt sie. Deshalb sei es nicht verwunderlich, dass manche Firmen dem Projekt noch kritisch gegenüber stünden. «Ich erwarte von den Unternehmen, dass sie sich an das Gesetz halten, ihre Spielräume nutzen und mehr Frauen in die Führungsetagen holen. An qualifizierten Kandidatinnen mangelt es jedenfalls nicht.»
Die HKP-Studie bestätigt zwar, dass Frauen in Führungspositionen auf Vorstandsebene sowie auf den beiden darunter liegenden Hierarchiestufen in Unternehmen in Deutschland aktuell deutlich unterrepräsentiert sind. Das Gesetz gehe aber an der Realität in den Unternehmen vorbei. Und Schwesigs Kernaussage wird in Zweifel gezogen:
«So gut gemeint und richtig die Intention des Gesetzes ist, so sehr basiert es jedoch auf einer fraglichen Annahme: Es setzt voraus, dass ausreichend Frauen in den Unternehmen zur Verfügung stehen und nur mit Nachdruck in die richtigen Positionen gebracht werden müssten.»
Dies wird in Schwesigs Ministerium und bei der Organisation FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte) eher für eine Ausrede gehalten. Mit Leitfäden und Workshops versucht das Frauenministerium, den Unternehmen praxisnahe Unterstützung bei den Anforderungen aus dem Gesetz sowie «best practice» für die wichtigsten unternehmerischen Handlungsfelder zu geben.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack fordert dringende Korrekturen im Gesetz. «Es verkommt sonst zum zahnlosen Tiger», sagte sie. Notwendig seien feste Quoten, klare Fristen und wirkungsvolle Sanktionen. Für alle Unternehmen und alle Hierarchieebenen müsse es verpflichtende Pläne geben, mit verbindlichen Ziel- und Zeitvorgaben.
Frauen arbeiteten vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen, sagt Hannack. Mit dem jetzigen Quoten-Gesetz würde nur ein Bruchteil von ihnen erreicht. «Ob als Vorarbeiterin, als Filialleiterin, Oberärztin, Geschäftsführerin bis hin zur Aufsichtsrätin - um weiblichen Nachwuchs zu fördern, müssen mehr Frauen in Führungsfunktionen.»
FidAR räumt ein, dass noch «sehr viel Geduld» notwendig sei, bis die Ziele des Gesetzes erreicht seien. FidAR-Präsidentin Monika Schulz-Strelow sieht den Stichtag am 30. September dennoch positiv. «Für viele Unternehmen bedeutet diese Personalentwicklungsplanung eine ungeahnte Herausforderung. Wir werden die Entwicklung beobachten und den Handlungsbedarf transparent machen.»