Deutsche (53) im Elsass gefangen gehalten und gefoltert?
Justiz geht nicht von Freiheitsberaubung aus

Die Polizei befreit eine unterernährte Deutsche aus einer Wohnung in Frankreich. Sie gibt an, von ihrem Mann gefoltert worden zu sein – doch es gibt Zweifel an ihrer Version. Nun gibt die Staatsanwaltschaft bekannt, dass sie nicht von Freiheitsberaubung ausgehen.
Publiziert: 07.08.2023 um 23:11 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2023 um 21:37 Uhr
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Ein in Forbach lebender Deutscher soll seine Frau hinter dieser Türe zwölf Jahre lang gefangen gehalten haben. An dieser Version gibt es nun Zweifel.
Foto: IMAGO/BeckerBredel

Eine Frau (53) in Forbach (F) wählt die Nummer der deutschen Polizei, gibt an, von ihrem Mann gefoltert zu werden. Sie sei in einer Wohnung im zweiten Stock der Avenue Saint-Rémy eingesperrt, gegen ihren Willen, seit zwölf Jahren schon!

Die deutsche Polizei alarmiert die französischen Kollegen. Die rücken aus und finden die Frau nackt, unterernährt, mit kahl rasiertem Kopf und angeblich mit Knochenbrüchen in einem Zimmer. So die ersten Medienberichte. Der Mann wurde verhaftet. Doch ein klarer Fall ist es nicht.

Die französische Justiz geht nicht von Freiheitsberaubung aus. Der Staatsanwalt von Saargemünd, Olivier Glady, bestätigte am Dienstag, dass man die Theorie der Freiheitsberaubung verwerfe. «Zurzeit scheint die Fährte am wahrscheinlichsten, dass es keine strafrechtlichen Vergehen gegen diese Frau gibt.» Zunächst waren Ermittlungen wegen möglicher Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und Folter aufgenommen worden.

«Alle Feststellungen, die während der Untersuchung, besonders vor Ort, getroffen werden konnten, können ihre Aussagen bisher nicht untermauern, während sie die Erklärungen ihres Mannes vollständig bestätigen», sagte Glady. Die Beamten hatten die Frau ohne Blutergüsse und wunde Stellen gefunden. In ihrer Nähe habe es auch keine Blutspuren gegeben. Bei Untersuchungen im Krankenhaus habe man keine Brüche festgestellt, was dem Staatsanwalt zufolge zumindest den Vorwurf schlimmster Folter auszuschliessen scheine.

Mann kommt auf freien Fuss

Die Staatsanwaltschaft gibt auch ein Update zum Gesundheitsstatus der Frau. Bereits am Montag sagte Glady, dass es keine Knochenbrüche gab. Auch Hinweise auf Vergewaltigungen habe es keine gegeben. «Das Leben des Ehepaares drehte sich um die Krankheit der Frau», erklärt der Staatsanwalt weiter. Sie habe an Rheuma gelitten. Wegen einer Hauterkrankung hatte sie kahle Stellen am Kopf. «Stand jetzt gehen wir davon aus, dass die Gefangenschaft und Misshandlungen so nicht stattfanden. Die Foltervorwürfe wie auch die Entführung konnten nicht bestätigt werden» sagt er.

Der Ehemann soll noch am Dienstag aus Polizeigewahrsam entlassen werden.

So sei die Deutsche ohne Fesseln in der Nähe eines Telefons gefunden worden und habe keine wunden Stellen oder Blutergüsse gehabt, wie zunächst berichtet wurde. Auch die Knochenbrüche bewahrheiteten sich nicht. Dehydriert sei sie ebenfalls nicht. Auch eine Folterkammer – wie französische Medien berichteten – sei nicht gefunden worden. Berichte, dass ein Notizbuch gefunden worden sei, in dem der Mann die Foltermethoden notiert habe, seien unwahr.

Vergitterte Wohnung – wegen der Katzen

Der 55-jährige Mann selbst sagte aus, dass seine Frau an einer Krankheit leide, und deshalb einen kahl rasierten Kopf habe. Dies sei auch den Nachbarn bekannt gewesen, die allerdings die Frau nie zu Gesicht bekamen. «Auch die Vermieterin des Hauses wusste davon», sagte Staatsanwalt Glady an der Pressekonferenz. Welche Krankheit sie haben soll, konnte er nicht sagen.

«Den Mann haben wir öfter gesehen. Er war sehr freundlich und höflich. Die Frau haben wir nie gesehen. Selten haben wir sie schreien gehört. Er erzählte uns, dass sie Krebs habe, wegen ihrer Krankheit und den Schmerzen schreit», sagen zwei Jugendliche, deren Vater im gleichen Haus lebt.

Die Wohnung war vergittert – das sei allerdings mit den neun Katzen zu erklären, die mit dem Paar in der Wohnung leben, so Staatsanwalt Glady. Ihm zufolge bewegt sich in dem Fall ein Schieber zwischen einem «absolut furchtbaren Szenario» und einer unbefriedigenden Betreuung bei einer Krankheit. (neo)

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