Auf einen Blick
- Bruno Retailleau ist neuer Innenminister Frankreichs
- Bekannt für harte Linie in Einwanderungspolitik und Sicherheit
- Er war Fraktionschef der Republikaner im Senat
Frankreich hat 39 neue Regierungsmitglieder, aber in den Medien ist derzeit vor allem einer zu hören und zu lesen: Der konservative Innenminister Bruno Retailleau (63) hat seit seiner Ernennung am Samstag mit markanten Aussagen zur Sicherheitspolitik und zur Einwanderung auf sich aufmerksam gemacht. Er war zuvor Fraktionschef der Republikaner im Senat, wo er bereits vehement für eine verschärfte Einwanderungspolitik eingetreten war.
Zur Politik ist Retailleau gewissermassen hoch zu Ross gekommen. Der begeisterte Reiter nahm schon als Jugendlicher an einem patriotischen Historienspektakel im Freizeitpark Puy de Fou teil, das der konservative Politiker Philippe de Villiers (75) entworfen hatte. De Villiers überliess ihm bald die Leitung des Parks, in dem bis heute auf spektakuläre, allerdings historisch fragwürdige Weise die Geschichte Frankreichs vermittelt wird.
Neuer Innenminister hat drei Kinder
Retailleau trat später in die von seinem Mentor gegründete rechtsnationale Partei Mouvement pour la France ein und wurde deren Vizechef. De Villiers ebnete ihm auch den Weg in den Regionalrat seiner Heimatregion Vendée und in die französische Nationalversammlung – bevor die beiden Politiker sich überwarfen und Retailleau schliesslich der konservativen Partei der Republikaner beitrat.
2004 wurde Retailleau in den Senat gewählt, wo er gegen die EU-Verträge von Maastricht und Lissabon stimmte. Damals warnte er, dass diese die französische Souveränität schmälern würden.
Bei Abstimmungen, die grosse gesellschaftliche und moralische Fragen betrafen, blieb der praktizierende Katholik und dreifache Vater seiner harten Linie treu: Die gleichgeschlechtliche Ehe lehnte er ebenso ab wie das Recht auf künstliche Befruchtung für alle Frauen oder die Aufnahme der Freiheit zur Abtreibung in die französische Verfassung.
Hetze gegen Einwanderer
Vor einigen Monaten löste er Kritik aus mit einem Ratschlag für Transsexuelle, die einen chirurgischen Eingriff erwägen: «Ein Gefühl ist keine Diagnose. Es könnte doch auch einfach eine homosexuelle Orientierung sein, zu der man stehen sollte», sagte er.
Retailleaus Hauptthema der vergangenen Jahre war jedoch die Einwanderungspolitik. Dazu äusserte er sich häufig so radikal, dass sich das nationale Fernseharchiv INA bei seiner Ernennung zum Innenminister bemüssigt sah, seine markantesten Zitate zusammenzustellen.
«Eine mutikulturelle Gesellschaft ist immer auch eine multikonfliktuelle Gesellschaft», sagte er bereits 1997. Einwanderer kämen «nicht, um Franzosen zu werden, sondern um von den Sozialleistungen zu profitieren», behauptete er schon damals. Ziel müsse nicht deren Integration, sondern die Assimilation sein. Später warnte er vor einer «Verrohung» der französischen Gesellschaft und zog eine Linie zwischen der Einwanderung und der Zahl an Tötungsdelikten.
Einer seiner grössten Erfolge aus eigener Sicht dürfte es gewesen sein, das von Präsident Emmanuel Macron (46) auf den Weg gebrachte Einwanderungsgesetz 2023 im Senat erheblich verschärfen zu lassen. Seine Fraktion ergänzte den Text etwa um eine Verringerung der medizinischen Versorgung von Migranten, um höhere Hürden für den Familiennachzug und eine Kaution für Studenten, die nicht aus der EU stammen.
Drei Prioritäten: «Ordnung, Ordnung und Ordnung»
Der Staatsrat kassierte diese Zusätze später, aber Retailleau liess schon kurz nach der Amtsübernahme erkennen, dass er diese Ideen weiterverfolgen will, insbesondere die ärztlichen Leistungen für Einwanderer.
Seine Ernennung zum Innenminister verdankt Retailleau wohl nicht nur der Tatsache, dass Premierminister Michel Barnier (73) ein Parteikollege ist. Mit seiner Einstellung zur Einwanderung und seinen drei Prioritäten – «Ordnung, Ordnung und Ordnung» – kommt er auch bei der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National (RN) gut an.
Der RN befindet sich derzeit in der Lage des Königsmachers: Barniers Regierung kann jederzeit gestürzt werden, wenn der RN ein Misstrauensvotum der Linken unterstützt. Fraktionschefin Marine Le Pen (56) hat deutlich gemacht, dass sie die Regierung vorerst nicht stürzen wolle, dafür aber eine entsprechende Politik erwarte. Retailleau dürfte dafür ihr bester Mann im Kabinett sein.