Nachdem sich der Vorsitzende des sogenannten israelitischen Konsistoriums in Marseille, Zvi Ammar, für einen Kippa-Verzicht ausgesprochen hatte, erntete er bis Mittwoch zugleich Verständnis und Gegenwind - aus Religion wie Politik.
Ammar hatte am Dienstag erklärt, auch wenn es ihm «Bauchschmerzen» bereite, so rate er jüdischen Gläubigen vorerst, auf das Tragen der Kippa zu verzichten, bis «bessere Zeiten» kämen.
«Fasst meine Kippa nicht an!» - Das war die Antwort des Präsidenten des zentralen israelitischen Konsistoriums, Joël Mergui. Die Konsistorien vertreten die Interessen der Juden in Frankreich. «Die Frage, ob wir die Kippa tragen oder nicht, wird das Problem des Terrorismus nicht lösen», sagte Mergui.
Der Präsident des jüdischen Dachverbands (Crif), Roger Cukierman, sprach schlicht von «keiner guten Idee», die jüdische Kopfbedeckung abzunehmen. Das käme einer Niederlage und einer Selbstaufgabe gleich.
Am Mittwoch dann schaltete sich die Politik ein - und stellte klar, wer für den Schutz jüdischer Bürger in Frankreich verantwortlich ist. Der Rat zum Kippa-Verzicht sei sicher gut gemeint, sagte Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem dem Sender France Inter.
«Aber das ist nicht die Botschaft, die wir aussenden sollten. Besonders jetzt nicht.» Für den Schutz der Bürger sei der Staat verantwortlich.
Ähnlich äusserte sich Innenminister Bernard Cazeneuve: Der Staat werde «alle seine Kinder» und die Religionsfreiheit beschützen. Auch Justizministerin Christiane Taubira stellte klar, Juden müssten «selbstverständlich» in Sicherheit ihre Kippa tragen können.
Marseille hat mit 70'000 Mitgliedern die zweitgrösste jüdische Gemeinde Frankreichs nach Paris. Schon mehrfach waren jüdische Bürger dort in den vergangenen Monaten das Ziel von Attacken. Israel verzeichnete nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr einen neuen Rekord an jüdischen Einwandern aus Frankreich.