Fragen und Antworten zur blutigen Schlacht
Wann fällt Aleppo?

Mit ungesehener Brutalität greifen Assads Truppen den Osten Aleppos an – bis die Stadt fällt, ist es nur eine Frage der Zeit. Was bedeutet das für die Stadt und wie geht es weiter? BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen.
Publiziert: 01.12.2016 um 16:55 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:28 Uhr
Ost-Aleppo liegt fast komplett in Trümmern.
Foto: ABDALRHMAN ISMAIL
Roman Rey

Es ist ein Massaker mit Ansage. «Wenn ihr diese Gebiete nicht bald verlasst, werdet ihr vernichtet», heisst es auf den Flugblättern, die der syrische Präsident Bashar al-Assad im Osten Aleppos abwerfen liess. Wie wir nun sehen, waren es keine leeren Drohungen. Mithilfe der Russen nehmen Assads Truppen die Rebellenviertel gnadenlos unter Beschuss – ohne Rücksicht auf zivile Verluste.

Was passiert, wenn Aleppo fällt?

Auch wenn die Stadt als entscheidend gilt: Ein schnelles Ende des syrischen Bürgerkrieges ist nicht abzusehen. Rebellen kontrollieren nach wie vor Gebiete in der Provinz Aleppo, grosse Teile der Provinz Idlib und auch Regionen im Süden des Landes.

Eine mögliche politische Lösung hätte eine Aufteilung des Landes beinhaltet. Mit dem Fall Aleppos rückt eine solche in weite Ferne. Denn Assad ist fest entschlossen, das ganze Land zu kontrollieren. Doch dafür sind seine Truppen zu schwach, sogar mit Hilfe Russlands und schiitischer Milizen aus dem Libanon und dem Irak.

Wie lange dauert die Schlacht noch?

Das ist schwierig einzuschätzen. Jedoch verzeichnet Assads Allianz schnellere militärische Erfolge als zunächst angenommen. Die letzte Schlacht um Aleppo könnte sich also innerhalb von Wochen statt Monaten entscheiden. Der russische Aussenminister möchte die Situation in Aleppo «bis Ende Jahr gelöst» haben. Und der Uno-Gesandte für Syrien warnte bereits vor einer Woche: «Wenn es so weitergeht, wird es zu Weihnachten kein Ost-Aleppo mehr geben.»

Wie viele Menschen leben noch in Ost-Aleppo?

Seit Beginn der jüngsten Offensive der Regierungstruppen haben in den letzten Tagen 70'000 Menschen die Flucht ergriffen. Mindestens 500 Menschen wurden in der kurzen Zeit getötet. Schätzungen zufolge befinden sich weniger als 200'000 Menschen in den Rebellengebieten Aleppos.

Die Rebellen geraten immer mehr in Bedrängnis.

Wohin fliehen die Bewohner?

Die syrische Regierung hat versprochen, «humanitäre Korridore» für diejenigen zu errichten, die das Rebellengebiet verlassen. Diese entpuppen sich jedoch oft als Fallen. Fotos von Helfern aus der Stadt zeigen Leichen auf der Strasse, neben Reisekoffern. Journalisten berichten davon, dass Oppositionelle verhaftet wurden.

Viele Zivilisten fürchten sich vor Gefängnis und Folter durch das Regime – deshalb flüchteten nur 20'000 in Regierungsviertel. 30'000 suchen in kurdisch kontrollierten Gebieten Zuflucht, 15'000 flüchteten in andere Rebellenviertel im Südosten Aleppos. 

Schreckliche Bilder: Ein Bombardement hat 45 Zivilisten getötet. Auch solche, die auf der Flucht waren.
Foto: REUTERS TV

Auf welcher Seite stehen die Kurden?

Es ist kompliziert. Assad-Gegner werfen den Kurden Verrat vor, nachdem kurdische Kämpfer in den letzten Tagen mehrere Stellungen der Rebellen in Ost-Aleppo übernommen haben. «Die kurdische YPG und die syrischen Regierungstruppen kooperieren in Aleppo», sagt der lokale Journalist Zohair al-Shimale zu «Middle East Eye». Die YPG streitet dies ab. Man sei nur zum Schutz der Bevölkerung in die von Rebellen verlassenen Gebiete vorgedrungen.

Mehrere Journalisten berichten von Gefechten zwischen Rebellen und Kurden – dies lässt sich jedoch nicht bestätigen. Dass sich die Kurden längerfristig mit der Regierung anfreunden, ist jedoch unwahrscheinlich. Die Kurden in Syrien wurden unter Assads Regime jahrelang benachteiligt. Und mittlerweile haben sie im Norden des Landes grosse Gebiete unter ihrer Kontrolle.

Geben die Rebellen auf?

Die Regierung hat den Rebellengruppen die Möglichkeit gegeben, die Stadt bei einer Kapitulation zu verlassen. Solche Abmachungen gab es schon in der Vergangenheit. Zum Beispiel durften sich Rebellen in der Stadt Idlib unbehelligt in Oppositionsgebiet zurückziehen.

Nach einem Rückzug sieht es jedoch nicht aus. «Das ist die Entscheidung der Gruppen», sagt ein Anführer zur Nachrichtenagentur Reuters. «Ich habe mit ihnen gesprochen, und niemand will sich zurückziehen.»

Es gibt ein weiteres Problem: Der Zusammenhalt unter den Assad-Gegnern bröckelt. Bei der Eroberung Aleppos kämpfte die «moderate» Freie Syrische Armee Seite an Seite mit Islamisten wie der Al-Nusra-Front. Doch flammte der Streit zwischen den Rebellenfraktionen immer wieder auf, und es kam zu Gefechten. Die aktuelle Grossoffensive wird zur Zerreissprobe.

Auch aus diesem Grund wollen sie sich noch einmal verbünden: Mehrere Rebellengruppen haben unter dem Banner der Freien Syrischen Armee eine neue Allianz namens Aleppo-Armee gegründet und wollen wieder enger zusammenarbeiten.

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