Fotograf erlebt Flüchtlings-Drama auf Kos
«Noch nie hat mich eine Situation so berührt»

Auf der griechischen Insel Kos eskaliert die Situation. Hunderte Flüchtlinge kommen täglich in Schlauchbooten am Strand an. Ein Fotograf, der das Drama fotografiert, ist erschüttert ob des Ausmasses des Elends.
Publiziert: 18.08.2015 um 21:12 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 21:33 Uhr
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Ikonen-Foto: Der Syrer Laith Majid umklammert Tochter, Sohn und Ehefrau.
Foto: Daniel Etter/NYT

Sonnenaufgang auf der griechischen Insel Kos. Erschöpfte Menschen schleppen sich jeden Tag durchnässt und mit letzten Kräften an den Strand.

Ein Bild geht dabei um die Welt: Laith Majid ist ein Mann wie ein Bär, kräftige Unterarme, Dreitagebart. Jetzt steht der Syrer weinend da. Der Flüchtling umarmt am Strand von Kos seine kleine Familie: Tochter, Sohn und Ehefrau. Die renommierte «New York Times» illustrierte mit dem eindrücklichen Bild die Berichterstattung über das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer.

«Völlig erleichtert, heil angekommen zu sein»

Das Foto hat Daniel Etter gemacht. Der Fotograf aus Barcelona erzählt in einem Interview mit «Spiegel Online», wie es dazu kam. «Ich bin gegen 4.30 Uhr an den Strand von Kos gegangen. Ich habe in der Ferne das kleine Schlauchboot entdeckt. Zwölf Personen sassen darin, ausgelegt war es vielleicht für drei oder vier.»

Nach über zwei Stunden Fahrt hatte das Boot Luft verloren, Wasser war hineingelaufen. «Die Flüchtlinge waren durchnässt, als sie am Ufer ankamen», so Etter. «Sie waren dann völlig erleichtert, heil angekommen zu sein.»

Die Familie habe ihn zunächst gar nicht wahrgenommen. «In diesem Moment kam bei ihnen alles zusammen: die Freude, es geschafft zu haben; die Liebe für die Familie; die Trauer über das, was früher war.» Der routinierte Fotograf sagt dann: «Noch nie hat mich eine Situation so berührt.»

Laith Majid und seine Familie stammen aus Syrien. Aus der Stadt Deir ez-Zor, die seit Jahren im Kampf zwischen Islamisten und Regierung zusammengebombt wird. «Solange es irgendwie ging, haben sie es dort ausgehalten», sagt Etter. «Sie wollten nicht weg.» Die Mutter arbeitete als Englisch-Lehrerin. Die Familie will nach Deutschland.

Elend trifft auf Luxus

Auch ein anderes Bild in den Gewässern der Ägäis hat grosse Symbolkraft: Ein Schlauchboot voll mit Menschen paddelt in Richtung griechischer Küste. Gleich daneben liegt eine riesige Luxusyacht. Wem die Yacht gehört, ist nicht bekannt. Die Menschen im Schlauchboot versuchen, von der Türkei aus über Kos in die EU zu gelangen.

Die griechische Insel liegt nur wenige Kilometer vom türkischen Festland entfernt. Seit Anfang Jahr sind auf griechischen Inseln laut dem Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR etwa 124 000 Menschen gelandet.

Eine Fähre soll jetzt auf Kos die chaotische Situation etwas entschärfen. Seit Freitag liegt die «Eleftherios Venizelos» im Hafen von Kos. Die Fähre dient als Aufnahmelager für Flüchtlinge. 2500 Syrer sollen auf der Fähre vorübergehend unterkommen und als Flüchtlinge registriert werden. Erst wenn sich die Menschen registriert haben, dürfen sie die Insel verlassen.

Um Spannungen zwischen den Ethnien zu entschärfen, werden auf der Fähre nur Syrer aufgenommen. Die Ungleichbehandlung sorgt bereits für Proteste anderer Flüchtlingsgruppen. (btg)

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