Forscher lösen Rätsel
So kam die Giraffe zu ihrem langen Hals

Forscher haben erstmals das Genom der Giraffe untersucht – und geben nun erstaunliche Einblicke in die Evolution der grössten landlebenden Tieren der Erde.
Publiziert: 17.05.2016 um 18:12 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 10:55 Uhr
Die einzigartige Statur der Giraffe bringt zahlreiche Herausforderungen für das Skelett sowie für das Nerven- und Herz-Kreislauf-System der Tiere mit sich.
Foto: DUKAS

Wie kam es, dass die Giraffe einen derart langen Hals hat? Die zugrundeliegenden Veränderungen im Erbgut der Tiere haben Forscher aus Tansania, Kenia, Grossbritannien und den USA untersucht. Das Team entzifferte dazu erstmals das Genom der Giraffe und ihres nächsten Verwandten, des Okapis.

Trotz kurzem Hals: Das Okapi ist der nächste Verwandte der Giraffe.
Foto: Getty Images/Lonely Planet Images

Wesentliche Veränderungen des Skeletts und des Herz-Kreislauf-Systems entstanden bei Giraffen demnach im Verlauf der Evolution vermutlich zeitgleich. Die Wissenschaftler stellen ihre Untersuchung im Fachblatt «Nature Communications» vor.

Enorm hoher Blutdruck

Die langen Beine und vor allem der lange Hals lassen Giraffen bis zu sechs Meter in die Höhe ragen und machen sie zu den derzeit grössten landlebenden Tieren der Erde. Ihre einzigartige Statur bringt zahlreiche Herausforderungen für das Skelett sowie für das Nerven- und Herz-Kreislauf-System der Tiere mit sich.

Um etwa das Blut vom Herz zwei Meter in die Höhe Richtung Gehirn zu pumpen, haben sie ein besonders leistungsstarkes Herz. Ihr Blutdruck ist zudem etwa doppelt so hoch wie bei anderen Säugetieren. Die Blutgefässe sind so angelegt, dass sie die entstehenden Druckunterschiede abfangen können, wenn die Giraffe plötzlich ihren Kopf herunterbeugt - etwa zum Trinken.

Welche genetischen Veränderungen diese und andere Anpassungen ermöglichten, untersuchten die Forscher um Morris Agaba vom African Institute of Science and Technology in Arusha (Tansania) über einen Vergleich von Giraffen- und Okapi-Genom. Okapis und Giraffen stellen die beiden einzigen Gattungen in der Familie der Giraffenartigen dar.

Okapis haben anders als ihre Verwandten keinen derart langen Hals. Die Wissenschaftler sequenzierten das Genom zweier Massai-Giraffen (Giraffa camelopardalis tippelskirchi), einer Unterart, die im südlichen Kenia und Tansania beheimatet ist.

Physiologische Probleme

Die Analyse der Genome zeigte zunächst, dass sich die Entwicklungswege von Giraffen und Okapis später trennten als bislang angenommen: vor etwa 11,5 Millionen Jahren anstatt vor etwa 16 Millionen Jahren.

Die Wissenschaftler identifizierten insgesamt 70 Gene, die bei Giraffen im Vergleich zu Okapis und zahlreichen anderen höheren Säugetieren derart verändert waren, dass sie eine Anpassung an die spezielle Biologie der Giraffe ermöglichten.

Untersuchungen des leistungsstarken Herz-Kreislauf-Systems von Giraffen könnten aufschlussreich für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck beim Menschen sein.
Foto: DUKAS

So zeigte sich zum Beispiel die Abfolge der Bausteine in solchen Genen verändert, die unter anderem die Entwicklung der Halswirbel steuern. Giraffen haben trotz ihres langen Halses nicht mehr Wirbel als andere Säugetiere, diese sind aber extrem verlängert.

Solche genetischen Abweichungen, die das Skelett der Tiere veränderten, traten gleichzeitig mit solchen auf, die das Herz-Kreislauf-System betrafen.

Giraffen hätten wegen ihrer Grösse einige physiologische und strukturelle Probleme zu bewältigen, schreiben die Forscher. Die Lösung dieser Probleme, insbesondere im Bezug auf das leistungsstarke Herz-Kreislauf-System, könnten aufschlussreich für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck beim Menschen sein. (SDA)

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