Nach wie vor warten Tausende Migranten aus Schwarzafrika und Flüchtlinge – derzeit vor allem aus Syrien, Eritrea, dem Irak und Afghanistan – nach einer beschwerlichen Reise und von Schleppern ausgebeutet auf eine Chance, von der libyschen Küste aus nach Europa zu gelangen.
Sie riskieren mit ihren letzten finanziellen Mitteln eine Überfahrt über das Mittelmeer nach Süditalien, mit untauglichen und von verantwortungslosen Schiffsleuten gesteuerten Barken. Einige kommen an, andere werden als Schiffbrüchige von der italienischen Küstenwache oder vom Triton-Einsatz der EU gerettet – oder ertrinken in den Fluten.
Gegen solche Dramen gibt es keine rasche und einzig taugliche Lösung. Denn die Ursachen und Wirkungen sind komplex, und allzu viele Akteure sind daran beteiligt.
Mögliche Massnahmen
- Reaktivierung der eingestellten italienischen Rettungsak-tion Mare Nostrum mit verstärkter finanzieller Unterstützung der EU.
Beurteilung: Sofern Italien und die übrigen EU-Mitgliedstaaten dazu bereit sind, könnten viele völlig überlastete Boote frühzeitig aufgegriffen und die Insassen von sicheren Schiffen übernommen werden.
- Verstärkung der Triton-Einsätze der EU und Ausweitung bis an die libysche Küste. Mit der gleichen Zielsetzung wie die Mare-Nostrum-Operation.
Beurteilung: Die EU müsste bereit sein, hierfür nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Schiffe, Helikopter und Einsatzkräfte zur Verfügung zu stellen. Die Barken könnten beschlagnahmt und die Schiffsleute und Schlepper unverzüglich verhaftet werden.
- Festlegung eines solidarischen Verteilschlüssels für die Aufnahme echter Flüchtlinge unter allen europäischen Staaten, koordiniert durch die EU-Kommission und unter Einbezug des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR.
Beurteilung: Ein entsprechender Vorschlag wurde unter den Innenministern der EU-Staaten bereits erörtert, bisher aber nicht konkretisiert. Die Schweiz hat mit ihrer kürzlichen Aufnahmeaktion von 3000 syrischen Flüchtlingen ein erstes Zeichen gesetzt.
- Verstärkte humanitäre Hilfe in den Regionen der Herkunftsländer von Kriegsvertriebenen, die heute die Hauptlast tragen (Jordanien, Libanon, Türkei).
Beurteilung: Dies erfordert Hunderte Millionen US-Dollar, würde aber ein menschenwürdiges Überleben auf längere Zeit in unmittelbarer Nähe des Heimatlandes ermöglichen. Die finanzielle Unterstützung könnte vor allem über UNHCR, IKRK und internationale Nichtregierungsorganisationen erfolgen. Ausserdem wäre sie weniger kostspielig als langwierige europäische Asylverfahren und Frontex-Aktionen.
- Errichtung von Flüchtlingslagern an der Süd- und Ostküste des Mittelmeers durch die internationale Gemeinschaft und Durchführung von Asylvorverfahren zur Triage von Migranten und Flüchtlingen.
Beurteilung: Diese Massnahme ist kaum durchführbar, da sie das Einverständnis von souveränen Staaten erforderte. Solche Lager wären exterritoriale Einrichtungen, die angesichts der instabilen Lage dieser Länder polizeilich und militärisch abgesichert werden müssten.
- Einigung aller Mitgliedstaaten der EU auf eine europäische Migrationspolitik, mit der eine erleichterte Einwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten angeboten werden müsste.
Beurteilung: Die wirtschaftliche Ausgangslage in den EU-Staaten ist sehr unterschiedlich. Die Migrationspolitik liegt immer noch in der Kompetenz der Nationalstaaten. Ein Konsens dürfte schwierig werden, obwohl wegen der demografischen Überalterung Europas zusätzliche Fachkräfte und Hilfskräfte benötigt werden.
Alle diese möglichen Massnahmen erfordern primär politischen Willen und Unterstützung durch die Bevölkerung. Die sogenannte Festung Europa, die auf populistische Interessen abzielt, ist nach allen bisherigen Erfahrungen nicht haltbar.
Auf lange Sicht führt kein Weg an der politischen Stabilisierung der fragilen und verfallenden Staaten vorbei. Notwendig hierfür sind eine Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Reduktion von Armut, die Bekämpfung der Korruption, die Strafverfolgung von Schlepperorganisationen und eine demokratischere Kontrolle der machthabenden Eliten und Diktatoren.