Die EU-Staaten müssten den Flüchtlingen unverzüglich einen "sicheren Hafen" anbieten, forderte die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, am Freitag. Die Gesundheit und Sicherheit der Kinder, Frauen und Männer an Bord der Schiffe dürfe nicht länger gefährdet werden, schrieb sie im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Menschlichkeit und Mitgefühl müssen die Oberhand gewinnen."
Seit ihrer Rettung vor der Küste Libyens würden die Flüchtlinge auf der "Sea-Watch 3" seit zwei Wochen "auf dem Meer allein gelassen", kritisierte auch das Hilfsbündnis Mediterranea. Das sei ein "neuer Rekord der Schande".
Die deutsche Nichtregierungsorganisation Sea-Watch, die das Schiff betreibt, warf den europäischen Ländern auf Twitter vor, weiter über das Schicksal der 32 Menschen an Bord zu "feilschen". "Wir mögen miserabel aussehen, aber sie sind erbärmlich", schrieb Sea-Watch.
Die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller machte sich am Freitag ein Bild von der Lage der Flüchtlinge auf der "Sea-Watch 3". Es gehe "nicht an, dass Leute nicht aus Seenot gerettet" würden, sagte sie telefonisch der Nachrichtenagentur AFP.
Sie forderte "dringend" eine Lösung. Keller beklagte, dass kein europäisches Land bereit sei, die Flüchtlinge aufzunehmen. Das sei eine Frage der Humanität. Hier sei auch Berlin gefordert.
An Bord der "Sea-Watch 3" zeigte sich unterdessen, wie verzweifelt die Flüchtlinge inzwischen sind. Einer von ihnen sprang am Freitag über Bord, um zu versuchen, schwimmend Malta zu erreichen. "Nach ein paar Metern hat er wegen der Kälte und der Strömung aufgegeben und wurde mit einem Rettungsring zum Schiff zurückgezogen", sagte der Fotograf Federico Scoppa AFP.
"Die Migranten schlafen auf dem Boden. Wir haben Hygieneprobleme", sagte der Einsatzleiter der "Sea-Watch 3", Philip Hahn, dem Sender "Radio 24". Die Lage werde "psychologisch immer schwieriger".
Drei Kinder an Bord im Alter von einem, sechs und sieben Jahren müssten sich "ständig übergeben", sagte Alessandro Metz von Mediterranea. Ihnen drohten Dehydrierung und Unterkühlung. Mediterranea und Sea-Watch belieferten die Flüchtlinge am Freitag mit Lebensmitteln und frischem Wasser.
An Bord der "Sea-Watch 3" befinden sich insgesamt 32 Flüchtlinge, darunter drei Kinder und drei unbegleitete Jugendliche. Die vier Frauen an Bord stammen aus Nigeria, Libyen und der Elfenbeinküste. Die Flüchtlinge waren am 22. Dezember vor der Küste Libyens gerettet worden.
An Bord eines Hilfsschiffes der Organisation Sea-Eye befinden sich 17 weitere Flüchtlinge. Sie warten seit dem 29. Dezember darauf, in Europa an Land gehen zu können. Beide Schiffe durften sich aufgrund des hohen Seegangs inzwischen der Küste Maltas nähern, dürfen aber nicht anlegen.
Malta, Italien und Spanien lehnten bisher eine Aufnahme der Flüchtlinge ab. Am Freitag jedoch erklärte der italienische Vize-Regierungschef Luigi Di Maio, Italien sei bereit, Kinder und ihre Mütter aufzunehmen. "Wir nehmen sie auf. Wir sind wieder einmal, wie immer, bereit, ganz Europa eine Lektion in Sachen Menschlichkeit zu geben", erklärte Di Maio auf Facebook.
Deutschland und die Niederlande erklärten sich nur unter der Bedingung zur Aufnahme bereit, dass andere Länder auch mitmachen. Auch mehrere deutsche und italienische Städte äusserten ihre Bereitschaft, die Menschen an Bord der Schiffe aufzunehmen.
Neapels Bürgermeister Luigi De Magistris sagte am Donnerstag, er werde die Rettungsaktion persönlich koordinieren, wenn die "Sea-Watch 3" den Hafen seiner Stadt ansteuere. De Magistris bot damit dem rechtsextremen Innenminister Matteo Salvini die Stirn, der sämtliche Häfen des Landes für Flüchtlinge sperren liess.