Flüchtlinge
Der EU-Parlamentspräsident fordert Auffanglager in Libyen

Brüssel/Berlin/Wien – Hunderttausende Migranten und Flüchtlinge halten sich laut der EU-Grenzschutzagentur Frontex in Libyen auf, aus Westafrika drängen weitere an die libysche Küste. Der konservative EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani fordert nun Auffanglager in Libyen.
Publiziert: 27.02.2017 um 17:15 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 04:50 Uhr
EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani spricht sich für Flüchtlingsauffanglager in Libyen aus. (Archivbild)
Foto: KEYSTONE/EPA/FELIPE TRUEBA

«Es wäre richtig, Auffanglager in Libyen zu installieren. Die EU sollte zu diesem Zweck ein Abkommen mit Libyen vereinbaren», sagte Tajani den Zeitungen der deutschen Funke-Mediengruppe. Die Auffanglager müssten aber eine gewisse Grundausstattung wie eine ausreichende Zahl an Ärzten und genügend Medikamente haben.

«Man muss Mittel zur Verfügung stellen, dass die Menschen dort ein paar Monate oder Jahre in Würde leben können. Auffanglager dürfen keine Konzentrationslager werden», sagte Tajani.

Zugleich forderte der Italiener einen milliardenschweren Marshallplan für Afrika. «Entweder wir handeln jetzt, oder es werden in den kommenden 20 Jahren Millionen Afrikaner nach Europa strömen», sagte Tajani, der im Januar als Nachfolger von Martin Schulz zum EU-Parlamentschef gewählt worden war.

Es gehe darum, eine Ausbildungs-Initiative zu starten, eine moderne Landwirtschaft zu entwickeln und Joint-Ventures - also Gemeinschafts-Unternehmen mit zwei oder mehr Partnern - zu gründen. Auch der «Marshallplan mit Afrika» der deutschen Regierung setzt auf Reformpartnerschaften. Der historische Marshallplan war ein Aufbauprogramm der USA nach dem Zweiten Weltkrieg für Westeuropa.

Der Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, kritisierte unterdessen die Rettungseinsätze von Hilfsorganisationen vor der libyschen Küste. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen wies die Äusserungen zurück. «Zuletzt wurden 40 Prozent aller Aktionen durch Nichtregierungsorganisationen (NGO) durchgeführt», sagte er. «Jeder auf See hat die Pflicht, Menschen in Not zu retten. Dafür steht auch Frontex.»

Aber die Geschäfte krimineller Netzwerke und Schlepper in Libyen sollten nicht noch dadurch unterstützt werden, dass die Migranten und Flüchtlinge immer näher an der libyschen Küste von europäischen Schiffen aufgenommen werden. Das führe dazu, dass Schleuser noch mehr Menschen auf seeuntüchtige Boote zwingen. «Wir brauchen eine Kombination aus Grenzschutz und legalen Möglichkeiten der Einreise», forderte der Frontex-Chef.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt, dass sich zwischen 700'000 und einer Million Migranten in Libyen aufhalten. Libyen war lange ein beliebtes Zielland für Arbeitsmigranten. Mit der Eskalation der Gewalt suchen immer mehr von ihnen laut IOM inzwischen aber den Weg nach Europa. Hinzu kommen mehr als 348'300 Binnenflüchtlinge, also Menschen, die ihren Heimatort innerhalb Libyens verlassen haben und in anderen Landesteilen Zuflucht gesucht haben.

Der österreichische Aussenminister Sebastian Kurz sah sich am Montag durch EU-Parlamentspräsident Tajani bestätigt. Sein viel kritisierter Vorschlag, «dass wir Menschen, die bei uns illegal ankommen, die den Schlepper gewählt haben, dass wir die an der Aussengrenze stoppen, versorgen und zurückstellen», sei «Gott sei Dank mehrheitsfähig geworden», sagte Kurz.

Sein deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel, den Kurz zuvor erstmals in Wien empfangen hatte, warnte dagegen: Vereinbarungen über Lager seien mit den instabilen Staaten Libyen und Tunesien nicht zu erzielen. Es könne nicht Ähnliches erreicht werden wie mit dem Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei.

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