«Erst haben sie geredet. Jetzt gilt es, das in Taten umzusetzen», sagte EU-Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans am Mittwoch in Brüssel vor seiner Reise in die Türkei. Im September hatten die EU-Staaten bei einem Flüchtlingsgipfel milliardenschwere Finanzhilfen für Herkunfts- und Transitländer versprochen. Doch Geld geflossen ist seither wenig.
Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mahnte die EU-Staaten an ihr Versprechen: «Es reicht nicht, Versprechen abzugeben, man muss auch durch den Beweis der Tat liefern», sagte Juncker im EU-Parlament.
So soll die Türkei von der EU im laufenden und im kommenden Jahr bis zu einer Milliarde Euro für die Versorgung von Flüchtlingen bekommen. Die Europäer wollen damit auch eine Begrenzung des Zustroms von Flüchtlingen erreichen. Im Gegenzug werden Fortschritte beim Dauerthema Visa-Liberalisierung für türkische Staatsbürger in Aussicht gestellt.
Wie aus Kreisen der EU-Kommission verlautete, liegen die konkreten Finanzzusagen der Staaten nicht nur bei der Hilfe für die Türkei weit unter den Zielen.
Auch anstelle der zugesagten 1,8 Milliarden Euro für den Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika zur Bekämpfung von Fluchtursachen seien nur einige Millionen zusammengekommen. Deutschland, Spanien und Luxemburg hätten bislang je drei Millionen zugesagt.
Und für die Finanzierung des Welternährungsprogramms, für das es eine weitere Milliarde Euro gibt, sei man weit vom Ziel entfernt, hiess es seitens der EU-Kommission.
Als Antwort auf die Syrien-Krise hatte die EU-Kommission Ende vergangenen Monats einen Syrien-Treuhandfonds vorgeschlagen, der mit mindestens einer Milliarde Euro gefüllt werden soll. Die Hälfte soll aus dem EU-Budget kommen, die andere Hälfte von den 28 EU-Staaten.
Beim EU-Gipfel am Donnerstag werden die EU-Staats- und Regierungschefs hauptsächlich über die aussenpolitische Dimension der Flüchtlingskrise diskutieren. Dann dürfte auch die stockende Finanzhilfe ein Thema sein.
Erneut ereignete sich am Mittwoch ausserdem ein neues Unglück vor der griechischen Insel Lesbos: Beim Untergang eines Flüchtlingsbootes ertranken zwei Menschen, darunter ein etwa dreijähriges Kind. Drei weitere Flüchtlinge wurden noch vermisst. Dies berichtete der staatliche griechische Rundfunk unter Berufung auf die griechische Küstenwache.
Das Boot sei zwischen der türkischen Ägäisküste und der Insel Lesbos untergegangen, hiess es weiter. Die türkische Küstenwache habe 21 Menschen aus den Fluten gerettet.
Seit Jahresbeginn sind nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) mehr als 445'000 Flüchtlinge in Griechenland angekommen. Die meisten von ihnen reisen via Balkan-Route nach Westeuropa weiter.
Um die Flüchtlinge an ihrer Weiterreise zu stoppen, errichtete Ungarn an der Grenze zu Serbien einen Grenzzaun. Nun erhält Ungarn Unterstützung von seinen Nachbarstaaten bei der Grenzsicherung: Eine erste Gruppe von 21 Soldaten aus Tschechien sei am Mittwoch im ungarischen Kaposvár eingetroffen, sagte ein Sprecher des Generalstabs in Prag der Nachrichtenagentur dpa.
Die Pioniereinheit bringt für Erdarbeiten fünf Grosslastwagen, Erdbohrer, Bagger, Presslufthammer und einen Werkstattwagen mit. Zudem stellt Tschechien zehn Feldküchen zur Verfügung.
Ausserdem kündigte die slowakische Regierung an, ebenfalls Polizisten nach Ungarn schicken zu wollen. Die 50 Beamten sollen einen Monat lang in dem Nachbarland eingesetzt werden, hiess es in Regierungsdokumenten, die am Mittwoch im Internet veröffentlicht wurden.
«Wenn Tschechien, Polen, die Slowakei und Ungarn ihre Kräfte bündeln, wird das einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Schengen-Aussengrenze zwischen Ungarn und Serbien zu sichern», sagte der slowakische Regierungschef Robert Fico. Die vier Staaten arbeiten seit 1991 in der so genannten Visegrad-Gruppe zusammen.