Nach Mitternacht Ortszeit sind zwischen den Kaukasus-Republiken Aserbaidschan und Armenien schwere militärische Zusammenstösse ausgebrochen. Die Verteidigungsministerien beider Länder bestätigen Kämpfe an mehreren Orten. Im Visier sollen gemäss Beobachtern vor Ort die Regionen rund um die Ortschaften Goris, Sotk und Dschermuk stehen.
Das armenische Verteidigungsministerium sprach von «intensivem Beschuss durch die aserbaidschanischen Streitkräfte». Diese hätten an drei Stellen armenische Stellungen mit Artillerie und grosskalibrigen Waffen angegriffen. Es gebe Tote und Verwundete. Aus Aserbaidschan verlautete dazu, das Vorgehen sei eine Reaktion auf «eine gross angelegte Provokation durch die armenischen Streitkräfte».
Am frühen Dienstagmorgen teilt die armenische Regierung in Jerewan mit, das aserbaidschanische Militär versuche, «auf armenisches Territorium vorzudringen». Weitere Details waren zunächst noch nicht bekannt.
Bei den Gefechten wurden laut der armenischen Regierung mindestens 49 Armeeangehörige getötet. Zu möglichen zivilen Opfern gab es vonseiten der Behörden zunächst keine Angaben.
Gefechte an mehreren Orten
Auch das aserbaidschanische Verteidigungsministerium äusserte sich am Dienstagmorgen. In einer Stellungnahme wies Aserbaidschan sämtliche Vorwürfe zurück und teilte mit, man habe auf Provokationen der Armenier reagiert. «Um weitere Provokationen zu verhindern (...), hat die aserbaidschanische Armee definitive und endgültige Vergeltungsmassnahmen ergriffen», so die Behörden weiter. Für die Vorwürfe von Provokationen seitens Armenien gab es zunächst keine Belege.
Unbestätigten Berichten zufolge könnte es sich um eine gezielte Invasion von Aserbaidschan handeln. Seit Jahren kämpfen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach. Derzeit soll auch international anerkanntes Territorium von Armenien in der Nähe des Krisengebietes unter Beschuss sein. Letztmals fanden dort 2020 Gefechte statt.
Meldungen in sozialen Medien zufolge sind zudem in mehreren armenischen Städten entlang der südöstlichen Grenze Gefechte ausgebrochen.
Nutzt Baku den Krieg in der Ukraine?
Russland und Armenien gehören dem postsowjetischen Militärbündnis «Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit» (CSTO) an. Moskau wäre damit verpflichtet, seinem Bündnispartner militärisch beizustehen. Dem Bündnis gehören zudem Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan an.
Ersten Einschätzungen zufolge könnte Aserbaidschan den Krieg in der Ukraine nutzen und davon ausgehen, dass Russland an der ukrainischen Kriegsfront zu beschäftigt ist, als dass es jetzt dem Bündnispartner beistehen könnte.
Wie die russische Zeitung «Iswestija» meldet, telefonierte der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan (47) kurz nach Beginn der Eskalation mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69). Paschinjan bezeichnete die Aktionen der aserbaidschanischen Seite als «inakzeptabel». Er wies auf die Bedeutung einer angemessenen Reaktion der internationalen Gemeinschaft hin. Armenien und Aserbaidschan hatten im November 2020 unter russischer Beteiligung ein Abkommen zur Beendigung der Feindseligkeiten in Berg-Karabach unterzeichnet. (kes)