Für viele Bürger Kubas war es ein Schock, dass Fidel Castro nicht mehr lebt. Sie erfuhren letzte Nacht via TV-Ansprache, dass ihr Revolutionsführer im Alter von 90 Jahren gestorben ist.
Nüchtern betrachtet ist eines allerdings weit überraschender als der Tod des schwer kranken, greisen Revolutionsführers: Dass Castro überhaupt so lange gelebt hat. Oder eher: überlebt hat.
So hat es Castro als Mann, der die meisten Mordversuche überlebt hat, 2011 sogar ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. Gerne liess sich Castro denn auch mit dem Satz zitieren: «Wenn das Überleben von Mordversuchen eine olympische Disziplin wäre, würde ich die Goldmedaille gewinnen.»
Hunderte Attentatsversuche
Bis 2006 soll über 600-mal versucht worden sein, Fidel umzubringen, schätzt Fabian Escalante. Der Castro-Vertraute war über mehrere Jahrzehnte Chef kubanischen Geheimdiensts und veröffentlichte 2006 ein Buch mit dem Titel «634 Ways to Kill Fidel Castro» («634 Arten, Fidel Castro umzubringen»).
Seinen Angaben zufolge sind in 167 der Fälle die Ausführenden der Mordkomplotte vor Gericht gekommen. In den 467 restlichen Fällen hätten die kubanischen Behörden die Versuche noch in der Planungsphase aufdecken können.
Ein ebenfalls 2006 ausgestrahlter Dokumentarfilm spricht von 638 Versuchen, Castro das Leben zu nehmen. Viele davon soll der US-Auslandsgeheimdienst CIA geplant haben.
Ex-Geliebte als Lockvogel
Ob 634, 638 – oder doch deutlich weniger, wie manche behaupten: Einige der Versuche, Castro nach dem Leben zu trachten, waren äusserst ausgefallen und klingen eher nach James-Bond-Streifen denn nach tatsächlichen Geheimdienst-Methoden.
- Nicht selten wollte man Fidel Castro über eine seiner Passionen in einen tödlichen Hinterhalt locken. So dachte die CIA darüber nach, den kommunistischen Feind, ein leidenschaftlicher Taucher, unter Wasser zu erwischen.
Die Idee: Eine grosse, schöne Muschel sollte mit Sprengstoff gefüllt werden, so dass sie explodiert wäre, wenn Castro sie auf einem Tauchgang angefasst hätte. Dass das kein Witz ist, geht aus inzwischen veröffentlichten, aber früher als geheim eingestuften Dokumenten hervor.
Der Plan kam allerdings nie zur Anwendung – ebenso wie jener, Castros Tauchanzug mit einem Pilz zu infizieren, der eine chronische und lähmende Hautkrankheit ausgelöst hätte. - Eine weitere ausgeklügelte Mord-Idee liebäugelte angeblich mit Fidels Leidenschaft für dicke Zigarren. Im Rahmen der «Operation Mongoose» soll 1966 versucht worden sein, Castro während eines Besuchs der Vereinten Nationen in New York eine sprengstoffgefüllte Zigarre unterzujubeln. Die «Saturday Evening Post» berichtete im Jahr darauf über den Plan – ob er allerdings wirklich umgesetzt werden sollte, ist umstritten.
- Auch die Ex-Geliebten wurden von der CIA instrumentalisiert. Die Deutsche Marita Lorenz war 1959 acht Monate mit dem Diktator zusammen. Die 19-Jährige wurde schwanger von ihm, verlor das Kind aber – Lorenz' Angaben zufolge, weil Castro ihr «etwas ins Glas getan» haben soll.
Sie verliess daraufhin Kuba in Richtung USA, wo sie von der CIA rekrutiert wurde. Im Auftrag des Geheimdiensts kehrte sie nach Kuba zurück, um eine tödliche Pille in Castros Glas zu schmuggeln. Doch das Komplott flog auf.
Castro soll seine Pistole gezogen haben, erinnerte sich Lorenz Jahrzehnte später. «Ich dachte, er erschiesst mich, aber er gab mir die Pistole und fragte: ‹Bist du gekommen, um mich umzubringen?› Dann nahm er einen Zug an seiner Zigarre und schloss seine Augen. Er machte sich verletzlich, weil er wusste, dass ich es nicht tun kann. Er liebte mich noch immer und ich ihn auch.»
LSD-Trip vor TV-Interview
Die CIA-Agenten hatten zudem zahlreiche Ideen auf Lager, wie Castro zwar nicht ermordet, doch in aller Öffentlichkeit erniedrigt werden könnte. So soll die CIA darüber nachgedacht haben, ein Pulver in Castros Stiefel zu streuen, das Haarausfall ausgelöst hätte. Oder eine Schachtel Zigarren vor einem TV-Auftritt mit LSD zu präparieren.
In die Tat umgesetzt wurden die allermeisten dieser Ideen jedoch nicht – und wurde etwas ernsthaft versucht, dann war das Komplott zum Scheitern verurteilt. Weder Gift noch Sprengstoff oder eine Kugel konnte Castro das Leben nehmen. Und so starb der «Maxìmo Lìder» gestern Abend schliesslich wohl ganz ohne fremdes Zutun.