Hier erstürmen Demonstranten den Präsidentenpalast
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Video zeigt:Hier erstürmen Demonstranten den Präsidentenpalast

Ferienparadies wird zur Hölle
«Jeder Vierte in Sri Lanka leidet schon Hunger»

Der korrupte Präsident ist auf die Malediven geflohen, die 22 Millionen Inselbewohner kämpfen täglich gegen das Chaos und um die knapper werdenden Lebensmittel. Doch die Sri-Lanka-Expertin der Helvetas sieht in der Krise auch etwas Positives.
Publiziert: 13.07.2022 um 21:11 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2022 um 08:59 Uhr
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Die Proteste in Sri Lanka sind am Wochenende eskaliert.
Foto: Getty Images
Samuel Schumacher

Wie tief man doch fallen kann: Vor vier Jahren noch erklärte Sri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa (73) an einem Wirtschaftsforum, wie er sein Land bis 2025 reich machen werde. Jetzt hat er seine Heimat Hals über Kopf verlassen und ist in einem Militärflieger auf die nahen Malediven geflohen. Offiziell von seinem Amt zurückgetreten ist er noch nicht. Der Hauptgrund: Solange Rajapaksa Präsident bleibt, ist der mutmasslich schwer korrupte Politiker vor Strafverfolgung geschützt.

Während sich Rajapaksa auf den Malediven vor seiner Verantwortung drückt, versinkt Sri Lanka im Chaos. Das Ferienparadies ist für die 22 Millionen Bewohner (darunter offiziell 470 Schweizer) die reine Hölle. «Ein Viertel der Menschen hat Hunger, fast drei Viertel müssen mindestens eine Mahlzeit am Tag auslassen», erklärt Esther Marthaler vom Hilfswerk Helvetas gegenüber Blick. «Vor allem für die Kinder wird die Situation jeden Tag dramatischer.»

Benzin gibts nur noch für Polizisten und Ambulanzen

Besserung sei nicht in Sicht. Das Land habe einen riesigen Schuldenberg und leide unter dem Wegfall des Tourismus. «Dazu kommt die überstürzte Umstellung auf rein biologische Landwirtschaft, die die Regierung im vergangenen Jahr verordnet hat, ohne die Bauern dabei zu unterstützen», erzählt die Sri-Lanka-Expertin.

Dem Land fehlt es an Dünger und Pestiziden. Das hat fatale Folgen: Der Ernteausfall wird zur Todesfalle. «Es besteht die reale Gefahr, dass es zu schlimmen Gewaltausbrüchen kommt.» Den Hilfswerken sind die Hände gebunden. Benzin gibt es nur noch für «essenzielle Dienstleister» wie die Polizei oder die Ambulanzen. Hilfswerke gehören nicht dazu.

Auch diese Länder stehen am Abgrund

Sri Lanka ist nicht das einzige Land, das kurz vor dem Kollaps steht. Laut einem aktuellen Bericht der Weltbank droht eine globale «Verschuldungsmisere»: Dutzende Länder können ihre Schulden nicht zurückzahlen und stehen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Besonders schlimm ist die Lage etwa im kommunistisch regierten Laos, im Libanon oder in Pakistan. Sambia hat bereits während der Pandemie seine Zahlungsfähigkeit verloren. Knapp zwei Dutzend weiteren Staaten in Afrika droht dasselbe Schicksal. Vielen dieser Staaten ist gemein, dass sie sich riesige Geldsummen bei China geliehen haben. Die kommunistische Grossmacht bietet seinen Schuldnern zuweilen unheimliche Deals an. So sicherte sich China im Dezember 2015 die volle Kontrolle über den sri-lankischen Hafen von Hambantota, als die Regierung offene Rechnungen nicht bezahlen konnte. Für die nächsten 99 Jahre gehört der Hafen den Chinesen. (sas)

Sri Lanka ist nicht das einzige Land, das kurz vor dem Kollaps steht. Laut einem aktuellen Bericht der Weltbank droht eine globale «Verschuldungsmisere»: Dutzende Länder können ihre Schulden nicht zurückzahlen und stehen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Besonders schlimm ist die Lage etwa im kommunistisch regierten Laos, im Libanon oder in Pakistan. Sambia hat bereits während der Pandemie seine Zahlungsfähigkeit verloren. Knapp zwei Dutzend weiteren Staaten in Afrika droht dasselbe Schicksal. Vielen dieser Staaten ist gemein, dass sie sich riesige Geldsummen bei China geliehen haben. Die kommunistische Grossmacht bietet seinen Schuldnern zuweilen unheimliche Deals an. So sicherte sich China im Dezember 2015 die volle Kontrolle über den sri-lankischen Hafen von Hambantota, als die Regierung offene Rechnungen nicht bezahlen konnte. Für die nächsten 99 Jahre gehört der Hafen den Chinesen. (sas)

Seit Monaten demonstrierten Hunderttausende Menschen im ganzen Land gegen die Regierung. Am Wochenende stürmten Demonstranten den Präsidentenpalast und zündeten die Privatresidenz des Regierungschefs Ranil Wickremesinghe (73) an, der am Mittwoch zum Interimspräsidenten ernannte wurde. Auch er gehört zum weit herum verhassten Rajapaksa-Clan, der das Land über Jahre hinweg heruntergewirtschaftet hat.

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Blick-Reporter über Sri Lanka:«Eine humanitäre Katastrophe droht»

Hundefutter gibt es keines mehr

Damit sich in Sri Lanka wirklich etwas verändert, reicht ein Regierungswechsel nicht, sagt Christin Fritsche (38) im Gespräch mit Blick. «Die Einstellung der Menschen müsste sich komplett ändern. Die meisten schauen nur für sich, kaum jemand interessiert sich für das Schicksal des anderen», erzählt die Luzernerin, die seit 2019 im Kandy District im Zentrum der Insel lebt.

Der Alltag sei für viele Bewohnerinnen und Bewohner der Insel «richtig, richtig krass», sagt Fritsche. Gemüse ist bis zu fünfmal so teuer wie noch vor kurzem, Hundefutter gibts keines mehr. «Meine drei Hunde Hugo, Nala und Lily fressen jetzt halt Reis und ein bisschen Fleisch», erzählt sie weiter.

Täglich sieht Fritsche in ihrer Stadt lange Schlangen vor den Tankstellen: Hunderte Menschen, die in der prallen Sonne mit Gaskanistern warten. «Auf den Strassen ist es viel ruhiger geworden, weil kaum noch jemand Benzin hat, um überhaupt herumzufahren.»

Notstand eint die Insel

Fast zynisch wirkt da die Regelung für Sri-Lanka-Reisende. Der Tourismus ist von fast allen Beschränkungen ausgenommen. Touristen können weiterhin an den Tankstellen tanken. Die Reisebranche ist eine der wichtigsten Wirtschaftsstützen des Landes. Erst vergangene Woche hatte sich die Regierung in einem verzweifelten Appell sogar an Wladimir Putin (69) gewandt. Moskau solle doch bitte Benzin und Touristen schicken, bettelte Colombo.

Dem ganzen Drama zum Trotz: Etwas Positives kann die Helvetas-Expertin Esther Marthaler der Situation doch abgewinnen: «Die Inselbevölkerung hat sich über alle ethnischen und religiösen Grenzen hinweg gegen das korrupte Regime vereint.» Die ethnischen Spannungen seien für einmal wie verschwunden, auch wenn sich der 30-jährige Bürgerkrieg natürlich in den Köpfen der Menschen festgesetzt habe. «Aber wer weiss: Vielleicht bietet die aktuelle Krise den richtigen Rahmen, um die wirklichen Herausforderungen gemeinsam anzugehen», sagt Esther Marthaler. Alle Hoffnung ist noch nicht verloren im einstigen Paradies.

Hier vergnügen sich Demonstranten im Präsidenten-Pool
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Sturm auf Palast in Sri Lanka:Hier vergnügen sich Demonstranten im Präsidenten-Pool
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