Entkräftet und abgemagert, doch am Leben! Eineinhalb Monate nach dem Absturz eines Kleinflugzeugs im kolumbianischen Regenwald sind vier überlebende Kinder aus dem Dschungel gerettet worden. Nach einer wochenlangen Suchaktion im Amazonasgebiet fanden Einsatzkräfte die Geschwister im Alter von 13, 9 und 4 Jahren sowie ein einjähriges Kleinkind im Süden des Landes, wie der kolumbianische Präsident Gustavo Petro (63) am Freitag mitteilte.
«Eine Freude für das ganze Land. Die vier Kinder, die seit 40 Tagen im kolumbianischen Regenwald vermisst wurden, sind lebend gefunden worden», schrieb der Staatschef auf Twitter. Dazu veröffentlichte er ein Foto von Soldaten und Indigenen im Dschungel, die die Kinder mit Wasser versorgten und fütterten.
Kinder «setzten ein Beispiel des Überlebens»
«Sie waren allein, aber sie haben ein Beispiel des Überlebens gesetzt, das in die Geschichte eingehen wird», sagte Petro nach seiner Rückkehr aus Kuba, wo er einen Waffenstillstand mit der linken Guerillaorganisation ELN bekanntgegeben hatte. «So sind diese Kinder heute, die Kinder des Friedens, die Kinder Kolumbiens.»
Die kolumbianischen Streitkräfte posteten eine Serie von Fotos der geglückten Rettung auf Twitter – mit den Worten: «Die Bündelung der Kräfte hat diese Freude für Kolumbien möglich gemacht. Ruhm den Soldaten der Streitkräfte Kolumbiens und den indigenen Gemeinden und Gruppen, die an der ‹Operation Hoffnung› teilgenommen haben.»
Die Geschwister waren am 1. Mai mit einer Propellermaschine vom Typ Cessna 206 im Department Caquetá im Süden des Landes abgestürzt. Private Kleinflugzeuge sind in der unwegsamen Region oft die einzige Möglichkeit, grössere Strecken zurückzulegen. Bei dem Unglück kamen die Mutter der Kinder, der Pilot und ein indigener Anführer ums Leben. Auf der Suche nach den Kindern fanden die Soldaten Schuhe, Windeln, Haargummis, eine lila Schere, eine Babyflasche, eine aus Blättern und Ästen gebaute Notunterkunft sowie halbverzehrte Früchte.
Pilot versuchte Notwasserung
Der Pilot hatte noch per Funk von Problemen mit dem Motor berichtet, bevor die Maschine abstürzte, hiess es zuletzt im vorläufigen Bericht der Luftfahrtbehörde. Zuvor hatte der Pilot noch angekündigt, auf einem Fluss notwassern zu wollen. Das Kleinflugzeug sei dann aber mit den Baumspitzen kollidiert, Motor und Propeller seien von der Maschine abgerissen worden und das Flugzeug sei senkrecht zu Boden gestürzt.
Offenbar war das Flugzeug beim Zusammenstoss mit den Baumkronen schon stark abgebremst worden, so dass der Aufprall auf der Erde weniger stark war. Im hinteren Teil der Kabine waren kaum Schäden festgestellt worden. Die Kinder könnten das Flugzeugwrack über die vordere Tür zur Linken des Piloten verlassen haben.
Hoffnung nie aufgegeben
Anhand der gefundenen Gegenstände und Spuren konnten die Soldaten den bisher zurückgelegten Weg der Kinder rekonstruieren. Demnach entfernten sie sich zunächst von der Absturzstelle vier Kilometer Richtung Westen. Dann stiessen sie offenbar auf ein Hindernis und wendeten sich gen Norden. Der Regenwald in der Region ist sehr dicht, was die Suche nach den Vermissten erheblich erschwerte. Zudem regnet es praktisch ununterbrochen.
Die Kinder – drei Mädchen und ein Junge – gehören selbst zu einer indigenen Gemeinschaft, ihre Kenntnis der Region könnte ihnen geholfen haben, nach dem Absturz im Dschungel zu überleben. Ihre Grossmutter Fátima Valencia vertraute vor allem auf die älteste Schwester. «Sie war immer wie die Mutter, sie hat die anderen mit in den Wald genommen», sagte sie zuletzt im Radiosender La FM. «Sie kennt die Pflanzen und Früchte. Wir Indigene lernen von klein auf, welche man essen kann und welche nicht.»
Parallelen zu junger Frau 1971
Der Fall erinnert an die Deutsch-Peruanerin Juliane Koepcke, die 1971 einen Flugzeugabsturz im peruanischen Regenwald überlebte und nach zehn Tagen gerettet wurde. Da ihre Eltern als Biologen im Amazonasgebiet forschten, war der damals 17-Jährigen die Umgebung vertraut und sie konnte sich bis zu einem Fluss durchschlagen, wo sie schliesslich von Waldarbeitern gefunden wurde.
Die Kinder in Kolumbien waren Medienberichten zufolge mit ihrer Mutter auf dem Weg zu ihrem Vater, der nach ständigen Drohungen durch eine Splittergruppe der Guerillaorganisation Farc aus der Region geflohen war. Zwar hat sich die Sicherheitslage nach dem Friedensabkommen 2016 zwischen der Regierung und der Farc verbessert, allerdings werden noch immer Teile des südamerikanischen Landes von illegalen Gruppen kontrolliert. Vor allem Indigene, soziale Aktivisten und Umweltschützer geraten immer wieder in das Visier der kriminellen Banden. (SDA/kes)