Am Mittwoch verloren Gabriele Lieske (85) und ihr Sohn Thomas Lieske (61) ihr Haus endgültig. Als Wiedergutmachung von Verbrechen aus der NS-Zeit, müssen sie es an die ursprünglichen Eigentümerinnen zurückgeben. So die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig.
Familie Lieske ist unter Schock: Sie müssen jetzt ihr Haus räumen, aber wissen nicht wohin. «Wir sind jetzt im Prinzip mittellos und müssen Rechnungen bezahlen», sagt Thomas Lieske zum deutschen Fernsehsender rbb24. Jahrzehntelang stand die Familie vor Gericht, um ihr Haus und Grundstück behalten zu können. Der Prozess am Mittwoch war vor der letzten Instanz.
1939 kaufte Familie Lieske das Grundstück
Das Grundstück gehörte in den 1930er-Jahren zwei jüdischen Frauen, die es 1939 unter Druck verkaufen mussten. Gabriele Lieskes Grossvater erwarb es damals und vererbte es an seine Nachkommen.
Im Jahr 1992 beantragte die Jewish Claims Conference (JCC), eine Organisation zur Entschädigung von NS-Opfern, die Rückgabe des Grundstücks. Die JCC vertritt die Rechte der ursprünglichen Eigentümerinnen und bemüht sich um die Wiedergutmachung von Verbrechen aus der NS-Zeit.
Nebenkosten und Pflege der Mutter
1993 übertrug die Mutter von Gabriele Lieske das Grundstück als Schenkung an sie und behielt sich ein lebenslanges Wohnrecht vor. Im Gegenzug verpflichtete sich die Tochter zur Übernahme von Nebenkosten wie Wasser, Strom und Heizung sowie zur Pflege der Mutter.
Zwei Jahre später schenkte die Tochter einen Teil des Grundstücks an ihren Sohn weiter. Diese familiären Regelungen sollten die Rechte innerhalb der Familie absichern, gerieten jedoch durch die Rückübertragungsforderungen der JCC ins Wanken.
Im Jahr 2017 wurde das Grundstück offiziell an die JCC zurückübertragen – der Startschuss für einen langwierigen Rechtsstreit, der die Familie bis vor die höchsten Gerichte führte.
Grundstück wurde unentgeltlich weitergegeben
Das Bundesgericht entschied: Wenn ein Grundstück unentgeltlich weitergegeben wurde, schliesst das die Rückübertragung nicht aus. Auch eine Schenkung gegen geringe Gegenleistungen wie die hier vereinbarte gilt demnach als unentgeltlich. Die Übernahme der Nebenkosten und der Pflege sei niedrig im Verhältnis zum Wert des Grundstücks.
Bei einer solchen Schenkung ist die Lage dem Bundesverwaltungsgericht zufolge eine andere, als wenn das Grundstück verkauft wurde und den Berechtigten der Erlös zusteht. «Absolut absurd», sagt Thomas Lieske zu rbb24.