Rund sechs Monate nach dem Tod der schwarzen Amerikanerin Breonna Taylor (†26) bei einem Polizeieinsatz in ihrer Wohnung in der Stadt Louisville wird lediglich einer der drei beteiligten Beamten angeklagt – und zwar nicht wegen den Schüssen auf Taylor, sondern weil er andere Bewohner in dem Mehrfamilienhaus gefährdet habe. Die Ermittler seien zu dem Schluss gekommen, dass die beiden anderen Polizisten sich selbst verteidigt hätten, sagt der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates Kentucky, Daniel Cameron.
Als Reaktion auf die Entscheidung kam es am Mittwoch in Louisville und anderen US-Städten zu Zusammenstössen zwischen Polizei und Demonstranten. In Louisville wurden zwei Polizisten angeschossen. Die Verletzungen seien nicht lebensgefährlich, sagt Polizeichef Robert Schroeder. Im Zusammenhang mit den Schüssen auf die Polizisten wurde ein Verdächtiger festgenommen. Die beiden Verletzten würden im Spital behandelt.
Behörden verhängen Ausgangssperre
Auch zahlreiche Demonstranten wurden festgenommen. Die Behörden hatten aus Angst vor Ausschreitungen bereits vorsorglich die Nationalgarde nach Louisville beordert und Sperren errichtet. Um 21 Uhr Ortszeit trat eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft. Auch in New York, Washington, Atlanta und San Diego kam es zu Protesten.
Rettungssanitäterin Taylor gilt seit ihrem Tod im März als ein Symbol der Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt. Zum verhängnisvollen Zwischenfall kam es, als Polizisten mitten in der Nacht mit einem Durchsuchungsbefehl bei ihrer Wohnung eintrafen. Einer Untersuchung zufolge klopften die Beamten an der Tür und gaben sich als Polizei zu erkennen. Dafür gebe es einen Zeugen. Weil sie keine Antwort erhalten hätten, hätten sie die Tür aufgebrochen.
Polizisten gaben 32 Schüsse ab
In der Wohnung hätten sie daraufhin einen Mann und eine Frau gesehen, so Generalstaatsanwalt Cameron. Der Mann – Taylors Freund – habe als Erster geschossen und einen der Beamten am Bein verletzt. Daraufhin hätten die Polizisten das Feuer eröffnet und 32 Schüsse abgegeben. Sie trafen die unbewaffnete Taylor mindestens fünf Mal, ihr Freund blieb unverletzt. Von den Kugeln, welche die 26-jährige Rettungssanitäterin trafen, sei eine tödlich gewesen.
Einer der Polizisten habe zehn Mal von ausserhalb der Wohnung geschossen und einige seiner Kugeln hätten die Nachbar-Apartments getroffen, so Cameron weiter. Der Beamte wurde wegen «mutwilliger Gefährdung» in drei Fällen angeklagt. Dafür drohen ihm drei Mal bis zu fünf Jahre Haft.
Gesuchte Person war gar nicht in der Wohnung
Rund um den Fall bleiben zahlreiche Fragen offen. So werden etwa die Umstände um die Ausstellung des Durchsuchungsbefehls weiterhin untersucht. Denn es ging dabei um eine Person, die sich gar nicht in der Wohnung aufhielt. Auch gibt Taylors Freund an, dass er zwar ein Klopfen an der Tür gehört habe. Es sei ihm aber nicht gesagt worden, dass es sich um die Polizei handelte. Deswegen habe er die Polizisten für Einbrecher gehalten.
Die Stadt Louisville einigte sich vergangene Woche in einem Zivilverfahren mit Taylors Familie auf eine ungewöhnlich hohe Vergleichszahlung von zwölf Millionen Dollar. Zugleich stellte sie Reformen bei der Polizei in Aussicht.
Er verstehe den Schmerz durch den Tod Taylors, sagt Generalstaatsanwalt Cameron, der selbst schwarz ist. «Aber Strafgesetze sind nicht dazu gemacht, auf jeden Schmerz und Verlust einzugehen.» Er rief dazu auf, nur friedlich zu protestieren. (noo/SDA)