Explosionen in Syrien
Erdogan verkündet Beginn von türkischer Militäroffensive

Der Angriff der Türkei auf Nordsyrien hat begonnen. Erdogan will die YPG auslöschen und einen Austausch der Bevölkerung vornehmen. Fraglich ist, ob Trump, Putin und Assad nur zuschauen werden.
Publiziert: 09.10.2019 um 10:34 Uhr
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Aktualisiert: 16.09.2020 um 16:49 Uhr
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Türkische Mlilitärfahrzeuge werden an die syrische Grenze gebracht. Der Einmarsch soll «in Kürze» beginnen, sagt die Türkei.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
Fabian Vogt

Seit Donald Trump am Wochenende ankündigte, seine Truppen in Nordsyrien abzuziehen, hat Recep Tayyip Erdogan die Messer gewetzt. Schon lange möchte der türkische Präsident die dort ansässige kurdische Miliz zerstören. Für ihn ist die YPG eine Terrorgruppierung.

Erdogan sagte am Mittwochnachmittag kurz nach 15 Uhr Schweizer Zeit, dass der Militäreinsatz auf Nordost-Syrien begonnen habe. Der Einsatz zielt gegen die kurdische YPG-Miliz. Kurz zuvor berichtete der «Daily Star» von Explosionen in der syrischen Stadt Ras al-Ain.

Die umstrittene Offensive brachte auch die neutrale Schweiz dazu, sich zum Konflikt zu äussern. «Die Schweiz ruft alle Parteien dazu auf, von Kampfhandlungen abzusehen und das Völkerrecht, insbesondere das humanitäre Völkerrecht, zu respektieren», so das Aussendepartement. Man habe diese Position den involvierten Parteien bereits mitgeteilt.

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Wie «Bloomberg» berichtete, haben türkische Truppen am Mittwochmorgen die Grenze überschritten. Offiziell bestätigt wurde das nicht. «Bloomberg» nennt den Namen der Quelle nicht. Am Mittwochmorgen baten die syrischen Kurden die Bevölkerung, sich gegen die Angreifer zu verteidigen.

«In Kürze Grenze überqueren»

Bisher stand die YPG unter dem Schutz der Amerikaner, gemeinsam bekämpften sie den IS. Nun aber vergeht kein Tag, an dem aus der Türkei nicht Angriffsparolen gegen Nordsyrien gerichtet werden.

Diese Nacht schrieb der Kommunikationsbeauftragte Erdogans in einem Gastbeitrag in der «Washington Post», dass die Türkei «in Kürze» einmarschieren werde: «Das türkische Militär, zusammen mit der Freien Syrischen Armee, wird die türkisch-syrische Grenze in Kürze überqueren». Bei der Freien Syrischen Armee (FSA) handelt es sich um von der Türkei unterstützte syrische Rebellen.

Die Lage vor Ort zeigte sich vor dem Start der Offensive als «ruhig», berichteten kurdische Quellen. Ruhig, obwohl man von türkischen Streitkräften an der Grenze wusste.

Austausch der Bevölkerung geplant

Für Erdogan geht es aber nicht allein darum, die YPG aus dem türkisch-syrischen Grenzgebiet zu vertreiben. Seine Regierung hat zugegeben, dass sie dort auch grössere demografische Veränderungen plane.

Im Moment leben in dem Gebiet vor allem Kurden, dazu verschiedene Minderheiten wie Christen, Jesiden oder Aramäer, wie der «Spiegel» berichtet. Sollte der Einsatz gegen die YPG erfolgreich sein, möchte Erdogan dort bis zu zwei Millionen syrische Flüchtlinge aus der Türkei ansiedeln.

Ob dieser Austausch der Bevölkerung reibungslos verläuft, ist alles andere als sicher. Dass es problematisch wird, wenn derart viele Menschen umgesiedelt werden, hat die Vergangenheit gezeigt. Im Balkan gibt es auch rund 20 Jahre nach dem Ende des Jugoslawienkriegs ethnische Spannungen, die Menschen streiten über Gebietsaufteilungen und anderes.

Was machen die USA?

Unklar ist, wie die USA darauf reagieren werden – dort herrscht grosses Durcheinander. Zu Wochenbeginn signalisierte das Weisse Haus, man werde sich einer Offensive nicht in den Weg stellen. Später vollzog US-Präsident Donald Trump teilweise eine Kehrtwende und drohte der Türkei, dass jede «ungezwungene oder unnötige» Kampfhandlung für die Wirtschaft «verheerend» würde. Trump würde in einem solchen Fall «die türkische Wirtschaft auslöschen», twitterte er.

Erdogan dürfte das allerdings relativ egal sein. Er ist wirtschaftlich kaum von den USA abhängig. Entscheidender für ihn dürfte sein, wie Russland reagiert. Wladimir Putin ist der wichtigste Unterstützer von Syriens Machthaber Baschar al-Assad. Falls die YPG bei Assad um Unterstützung zur Niederschlagung des Türken-Angriffs anfragt, könnte Erdogan daher bald ein Problem mit Putin bekommen. Dieser wäre im Gegensatz zu Trump tatsächlich ein sehr wichtiger Handelspartner für die Türkei.

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