Grosse Angst vor einer Ausbreitung des Krieges
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Erste Zwischenfälle in Moldau:Grosse Angst vor einer Ausbreitung des Krieges

Explosionen in der Hauptstadt Tiraspol
Darum nimmt Putins Top-General Transnistrien ins Visier

Im russischen Krieg gegen die Ukraine rückt das moldauische Gebiet Transnistrien immer weiter in den Fokus. Wenn die prorussische Region in den Krieg hineingezogen wird, könnte das schwere Folgen für die Ukraine und Moldau haben.
Publiziert: 27.04.2022 um 00:15 Uhr
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Aktualisiert: 27.04.2022 um 14:38 Uhr
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Das prorussisch besetzte moldauische Separatistengebiet Transnistrien scheint in den Fokus russischer Truppen zu rücken.
Foto: AFP

Abtrünnig, von prorussischen Soldaten besetzt, international nicht anerkannt und ausschliesslich von Russland gestützt: Das Gebiet Transnistrien im ukrainischen Nachbarland Moldau teilt sich das Schicksal mit den ukrainischen Oblasten Luhansk und Donezk.

Bisher blieb die Region, wie auch Moldau selbst, vom russischen Krieg mehrheitlich verschont. Die Befürchtung, dass russische Truppen auch in Transnistrien einmarschieren könnten, besteht aber spätestens seit Ende April. Der russische Top-General Rustam Minnekajew kündigte an, dass man die Kontrolle über die gesamte Südukraine erlangen wollte. Denn dies sei «ein weiterer Weg nach Transnistrien, wo die russische Bevölkerung ebenfalls unterdrückt wird».

Nun machen Putins Truppen offenbar ernst. Am Montag meldeten transnistrische Behörden, dass das Ministerium für Staatssicherheit in der Hauptstadt Tiraspol beschossen worden sei. Am Dienstag sollen auch zwei Radioantennen, die ein russisches Radio übertragen, vollständig zerstört worden sein. Die Ukraine machte kurz darauf Moskau für den Anschlag verantwortlich, offiziell hat sich noch niemand dazu bekannt.

Laut moldauischen Behörden sollten die Explosionen «Vorwände schaffen, um die Sicherheitslage in der Region Transnistrien zu belasten». Die moldauische Präsidentin Maia Sandu (49) hat ein Treffen des Obersten Sicherheitsrats des Landes einberufen. Die Angriffe wurden als «Terrorismus» bezeichnet und die Alarmstufe auf «Rot» gesetzt.

Warum interessiert sich Russland überhaupt für Transnistrien?

Mit etwas mehr als 4000 Quadratkilometern ist Transnistrien beinahe verschwindend klein – und trotzdem ist das russische Interesse an der Region bereits seit den 90er-Jahren sehr gross. Wie die «Washington Post» erklärt, gibt es dafür mehrere Gründe.

Laut der Zeitung habe das Gebiet zwar keinen grossen strategischen Wert für Moskau, die Entsendung von Truppen dorthin würde für Russland sogar «mehr Probleme schaffen als lösen». Denn mit einer Invasion würde Russland wohl zusätzliche Sanktionen auslösen und die Beziehungen zur verfassungsmässig neutralen Republik Moldau zerstören.

Laut «The Conversation» sind diese «De-facto-Staaten» in ehemaligen Republiken der Sowjetunion territorial sehr wichtig für Russland. Bereits mit der Annexion der Krim und der Anerkennung von Luhansk und Donezk hat Russland zumindest einen Teil seines Ziels erreicht, «einen verlässlichen Einflussbereich jenseits seiner Grenzen wiederherzustellen», so die Zeitung. Transnistrien wäre lediglich ein weiterer Schritt in diesem Vorhaben.

Was würde die Eroberung von Transnistrien für die Ukraine und Moldau bedeuten?

Wenn Russland auch Transnistrien einnehmen würde, wäre die wichtige ukrainische Hafenstadt Odessa von russischen Streitkräften eingekesselt – und der Rest der Ukraine faktisch von den Weltmeeren abgeschnitten. Damit würde sich die ukrainische Kontrolle im eigenen Land auf ein landumschlossenes, wirtschaftlich ruiniertes Gebiet beschränken.

Und während sich wichtige Bevölkerungszentren wie die Hauptstadt Kiew weiterhin in Reichweite russischer Artillerie befinden würden, wäre eine Grosszahl ukrainischer und moldauischer Bürgerinnen und Bürger «einem brutalen russischen Besatzungsregime» ausgesetzt, schlussfolgert «The Conversation».

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In Transnistrien selbst scheint man trotz prorussischer Besetzung wenig begeistert, in die russische Aggression gegen die Ukraine hineingezogen zu werden. Doch wenn die russische Armee tatsächlich in Transnistrien einmarschiert, hätte Moldau nur begrenzte Möglichkeiten, sich Moskaus Ambitionen zu widersetzen, so die Zeitung.

Ausserdem wäre Moldau einer russischen Aggression noch stärker ausgesetzt als die Ukraine, da sie «nicht annähernd über die gleichen Verteidigungskapazitäten» verfüge.

Wie wahrscheinlich ist eine russische Invasion im ukrainischen Nachbarstaat?

Ganz neu ist der russische Wunsch nach Kontrolle in der Südukraine nicht. «Das haben sie bereits in Phase eins versucht», erklärt Michael Kofman, ein Russland-Experte bei einer gemeinnützigen Forschungs- und Analyseorganisation.

Aber: Die Versuche von Russland über die südukrainische Stadt Mikolajiw hinaus vorzudringen, waren wenig erfolgreich. Daher glaubt Kofman auch, dass Putins Truppen sich weiterhin auf die Ukraine konzentrieren und nicht in Transnistrieren einmarschieren werden.

Auch der moldawische Aussenminister Nicu Popescu (41) zeigt sich bislang entspannt. Er sagte auf einer Veranstaltung des German Marshall Fund in Washington in dieser Woche, dass die Lage in Transnistrien «mehr oder weniger ruhig» sei und dass Moldawien keine Anzeichen für ungewöhnliche militärische Aktivitäten gesehen habe. (chs)

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