Stau am Mount Everest
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Absurd und lebensgefährlich:Stau am Mount Everest

Expeditionsleiter zum Todesdrama am Everest
«Die Nepalesen müssen unbedingt Massnahmen treffen»

Bergsteiger standen am Everest über zwölf Stunden im Stau und starben dann an Erschöpfung. Der Schweizer Touranbieter Kari Kobler fordert nun Massnahmen.
Publiziert: 25.05.2019 um 21:11 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:08 Uhr
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Stau auf dem Dach der Welt: Hunderte Bergsteiger waren am Donnerstag beim Hillary Step blockiert – am Ende starben neun von ihnen, teils an Erschöpfung.
Foto: AFP
Cyrill Pinto

Der 65-jährige Ernst L.* war mit einer Gruppe des Schweizer Anbieters Kobler & Partner auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest unterwegs. Expeditionsleiter Kari Kobler (64) hörte am Funk mit, was geschah.

Ein Sherpa half L. beim Abseilen über die letzten senkrechten Meter des «Second Step» auf rund 8600 Meter. Ein zweiter Bergführer stand unten bereit und wartete auf den Alpinisten. Als L. am Fuss der 40 Meter hohen Felsstufe ankam, entfuhr es dem Sherpa: «Oh, er ist tot!» Eines von mehreren Opfern der letzten Tage an dem 8848 Meter hohen Gipfel.

SonntagsBlick konnte mit Kari ­Kobler im Basislager sprechen. Er glaubt, dass L. sehr wahrscheinlich an einem Herzinfarkt gestorben ist. Kobler versucht nun, mit mehreren Sherpas zum Unglücksort aufzusteigen. «Wir wollen ihn dort mit Steinen bedecken und ihn so begraben.»

Gipfelerfolg war letztes Foto

L. war Teil einer Gruppe, die sich trotz starkem Wind und extrem tiefen Temperaturen ins letzte ­Lager vor dem Gipfel vorgewagt hatte. Als sich am Donnerstag ein Wetterfenster auftat, traten die ­Alpinisten um Mitternacht den Aufstieg an. Die ersten Schweizer erreichten den Gipfel gegen 9 Uhr, L. folgte etwa eine Stunde später. Ein letztes Foto von ihm bezeugt seinen Gipfelerfolg. Es war etwa 14 Uhr, als Ernst L. beim Abstieg sein Leben verlor. 

Der Österreicher ist einer von zehn Bergsteigern, die in nur zehn Tagen am Everest ihr Leben liessen. Neun von ihnen verunglückten auf der nepalesischen Südseite. Bilder vom berühmten «Hillary Step», der schwierigsten Passage auf der Südroute zum Gipfel, gingen um die Welt. Darauf zu sehen sind etliche dutzend Alpinisten, die sich durch das Nadelöhr knapp hundert Meter unterhalb des Gipfels zu zwängen versuchen.

Offenbar kamen mehrere Everest-Touristen ums Leben, weil sie sich wegen der grossen Wartezeiten viel zu lang in der tödlichen Höhe aufhielten. So starb ein 27-jähriger Inder beim Abstieg an Erschöpfung, nachdem er nach Aussage seines Tourveranstalters mehr als zwölf Stunden im Stau gestanden hatte.

«Bergsteigen ist ein Risikosport»

Expeditionsleiter Kobler: «Die Nepalesen müssen unbedingt etwas gegen diesen Massenauflauf unternehmen, sonst passiert dort irgendwann eine Katastrophe.»

Auf der tibetischen Seite kam es laut Kobler zu keinen grossen Wartezeiten – weil dort bedeutend weniger Leute unterwegs waren, die ­zudem gestaffelt aufstiegen.

Und doch starb L. dort beim Abstieg. Koblers Kommentar: «Bergsteigen ist ein Risikosport. Lawinen, Steinschlag und die Höhenkrankheit fordern regelmässig Opfer.» Im Fall von Ernst L. war es vermutlich ein Herzproblem. 

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bekannt

 

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