Exil, Straflager, Mord
Auch diese Putin-Kritiker bezahlten einen hohen Preis

Der russische Oppositionelle Boris Nemzow bezahlte seinen politischen Aktivismus mit dem Leben. Er ist bei Weitem nicht der erste Kreml-Kritiker, dessen politisches Engagement ihn das Leben kostete. Eine Übersicht.
Publiziert: 03.03.2015 um 19:01 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:32 Uhr
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Trauermarsch für Boris Nemzow.
Foto: Reuters

Boris Nemzows Tod bewegt. Zehntausende Menschen versammelten sich am Sonntag in Moskau, um an einem Trauermarsch für den ermordeten russischen Oppositionsführer teilzunehmen. «Helden sterben nie – diese Kugeln gelten uns allein», stand auf einem grossen Banner, das die Demonstranten an der Spitze des Demonstrationszuges in die Höhe hielten. Auf ein Plakat hatte ein Trauernder geschrieben: «Ich fürchte mich – wer ist der Nächste?»

Die Angst ist berechtigt. Boris Nemzow ist bei weitem nicht der erste Kreml-Kritiker, dessen politisches Engagement ihn das Leben kostete, wie ein Blick in die vergangenen zehn Jahre zeigt. Die Auswahl ist nicht vollständig.

Ein Bild, das um die Welt ging: Michail Chodorkowski hinter Gittern
Foto: Keystone

- 25. Oktober 2003. Michail Chodorkowski (heute 51) wird verhaftet. Der Russe wurde im Ölgeschäft zum Milliardär. Er war Chef des Yokus-Konzerns und galt 2004 mit einem geschätzten Vermögen von 15,2 Milliarden Dollar als reichster Russe. Doch im Gegensatz zu anderen Oligarchen engagierte sich Chodorkowski auch zunehmend politisch. Er finanzierte Oppositionsparteien und kritisierte Präsident Putin frontal.

Kurz nach seiner Verhaftung wird Chodorkowski wegen Steuerhinterziehung und Betrugs verurteilt. Amnesty International bezeichnet die Verurteilung als politisch motiviert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weist dies 2011 aber zurück. Kurz vor Weihnachten 2013 wird Chodorkowski überraschend begnadigt und freigelassen. Die Hintergründe sind nicht ganz klar. Seit Anfang 2014 lebt Chodorkowski mit seiner Familie in Rapperswil-Jona SG und hat sich bereits wieder politisch geäussert.

Anna Politkowskaja wurde im Alter von 48 getötet.
Foto: Keystone

- 7. Oktober 2006 – der Geburtstag Putins. Anna Politkowskaja, eine engagierte Menschenrechts-Aktivistin, Journalistin und Autorin wird beim Eingang ihres Wohnhauses in Moskau erschossen. Die Frau, die in ihren Artikeln und Büchern Kritik am Tschetschenien-Krieg übte und Korruption anprangerte, wird von zwei Kugeln getroffen und stirbt noch am Tatort. Eine Nachbarin findet die Leiche später im Lift.

Russland verdächtigt den Tschetschenen Rustam Machmudow, Politkowskaja erschossen zu haben. Durch Medienberichte erfährt er allerdings von dem Verdacht und kann sich ins Ausland absetzen, bevor er verhaftet werden kann.

2008 beginnt in der russischen Hauptstadt deshalb nur der Prozess gegen vier mutmassliche Mittäter. Zwei Tschetschenen sowie ein Offizier des Innenministeriums und ein Oberstleutnant des Inland-Geheimdienstes FSB werden freigesprochen, das Urteil wird später allerdings wegen Verfahrensfehler aufgehoben. Machmudow wird 2011 in Tschetschenien gefasst, im vergangenen Jahr sprach ihn ein Geschworenen-Gericht schuldig.

2012 wird dann schliesslich auch der mutmassliche Drahtzieher des Mordes verurteilt. Der ehemalige Kriminalpolizist Dmitri Pawljutschenko soll die Tatwaffe organisiert und das Killer-Kommando zusammengestellt haben. Er muss elf Jahre ins Straflager und umgerechnet rund 45'000 Franken Schmerzensgeld an die Angehörigen Politkowskajas zahlen. Wer allerdings seine Auftraggeber waren, ist bis heute unklar.

Spion Litwinenko: Er starb an einer Polonium-210-Vergiftung.
Foto: AFP/Getty Images

- 23. November 2006. Alexander Litwinenko, ehemaliger KGB-Agent und später bei dem Inlandgeheimdienst FSB tätig, stirbt in einem Gefängnis in London an einer Polonium-210-Vergiftung. Das radiaktive Material war ihm wahrscheinlich während eines Treffens mit den zwei russischen Geschäftsleuten Andrei Lugowoi und Dmitri Kowtun in der Bar des «Millenium Hotels» den Tee geträufelt worden. «Die Bastarde haben mich gekriegt, aber sie werden nicht jeden kriegen», sagte Litwinenko wenige Stunden vor seinem Tod in einem Interview mit der «Times».

2007 stellt Scotland Yard nach einer Untersuchung ein Auslieferungsgesuch an Russland. Die Ermittler sind sich sicher: Andrei Lugowoi, Ex-KGB-Agent, hat Litwinenko vergiftet. Doch Russland verweigert die Auslieferung.

Ist Litwinenko Russland zu gefährlich geworden? Kurz vor seinem Tod soll er angeblich herausgefunden haben, dass die russische Regierung am Tod oder Verschwinden von Mitarbeitern des Ölkonzerns Jukos beteiligt gewesen sein soll. Am Tag vor seinem Tod soll er zudem einen italienischen Geheimdienst-Experten im Fall Politkowskaja getroffen haben.

Stanislaw Markelow wurde mit Baburowa erschossen.
Foto: Keystone
Anastasia Baburowa arbeitete als Journalistin – bei derselben Zeitung wie Politkowskaja.
Foto: Keystone

- 19. Januar 2009. Anastasia Baburowa und Stanislaw Markelow werden im Zentrum Moskaus auf der Strasse erschossen. Baburowa wollte Markelow an diesem Tag interviewen, der damals 34-jährige Gründer der NGO «Institut für die Vorherrschaft des Rechts» und Anwalt unter anderem von Anna Politkowaprilskaja. Baburowa arbeitete ausserdem wie die getötete Autorin als Journalistin für die regierungskritische «Nowaja Gaseta».

2009 wird im Zusammenhang mit dem Mord ein Pärchen mit rechtsextremem Hintergrund festgenommen, 2011 werden die beiden schuldig gesprochen. Sie muss 18 Jahre ins Gefängnis, er lebenslang.

Alexej Nawalny bei der Urteilsverkündigung in Moskau
Foto: Keystone

- 30. Dezember 2014. Alexej Nawalny, einer der bekanntesten Kritiker von Präsident Wladimir Putin, wird wegen Diebstahls zu dreieinhalb Jahren Strafkolonie auf Bewährung verurteilt. Als Anwalt hat er sich der Korruptionsbekämpfung verschrieben. Auf seinem Blog dokumentiert er laufend staatliche Korruption. Gleichzeitig ist er politisch aktiv und gehört zur Opposition. 2011 und 2012 führte er Massendemonstrationen gegen Wladimir Putin an. Seine Nähe zum Nationalismus sorgte allerdings innerhalb der Opposition für Kritik.

Bereits im Juli 2013 wurde Nawalny in einem als politisch angesehenen Prozess wegen Unterschlagung zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt, später die Strafe auf Bewährung ausgesetzt. (lha/sas)

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