Slowakischer Ex-Premier will Pressefreiheit in Ketten legen
Fico schlägt zurück

Nach dem Mord an Jan Kuciak (†27) sollte ein neues Mediengesetz erarbeitet werden, das Journalisten besser schützt. Doch die Regierungspartei hat einen eigenen Vorschlag auf den Weg gebracht, der die Pressefreiheit im Land gefährden könnte.
Publiziert: 22.03.2019 um 09:05 Uhr
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Aktualisiert: 22.03.2019 um 13:44 Uhr
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Ex-Premier Robert Fico will mit den Medien «kämpfen, so lange, wie es nötig ist».
Foto: AFP
Vinzenz Greiner
Vinzenz GreinerRedaktor Storytelling

Diesmal sind es keine Pistolenkugeln, sondern Gesetzesparagrafen, mit denen die Pressefreiheit in der Slowakei angegriffen wird. Im Februar letzten Jahres wurden der Journalist Jan Kuciak (†27) und seine Verlobte Martina Kusnirova (†27) erschossen.

Nun könnte ein Gesetz im slowakischen Parlament verabschiedet werden, von dem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sagt, es stelle «ein Risiko unzulässiger und unverhältnismässiger Einmischung in die redaktionelle Freiheit der Medien» dar. Auch EU-Kommissar Günther Oettinger (65) ist schon in Sorge.

Drastische Ausweitung des «Rechts auf Antwort»

Es geht um das «Recht auf Antwort», das der Gesetzesentwurf, der in der Session ab nächster Woche zur Abstimmung kommen wird, drastisch ausweiten würde. Dieses Recht hat derzeit jede Person, über die ein Medium falsche oder wahrheitsverzerrende Tatsachenbehauptungen veröffentlicht. Dann darf die betroffene Person verlangen, dass ihre eigene Sichtweise als «Antwort» in ähnlicher Länge abgedruckt wird – ohne redaktionellen Einfluss.

Personen in öffentlichen Funktionen, wie etwa Politiker, nahm die konservative Regierung 2011 von diesem Recht aus. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung würde diese Ausnahme gekippt. Und: Damit man antworten darf, müsste eine Tatsachenbehauptung gar nicht mehr falsch sein. Das bedeutet: Jeder Politiker, dem nicht gefällt, was eine Zeitung über ihn veröffentlicht, kann im selben Blatt die eigene Sicht ausbreiten. Bei Weigerung kann das Medium zu Strafzahlungen von bis zu 4980 Euro verdonnert werden.

«Zeitungen sind nicht dazu da, Politikern zu helfen»

Eingereicht haben das Gesetz Miroslav Ciz (65) und ein weiterer Abgeordneter der Regierungspartei Smer-SD. Ciz kann die Kritik an seinem Vorschlag nur «schwer verstehen». Das Recht auf Antwort sei 2011 schliesslich einigen Personen abgesprochen worden, so Ciz zu BLICK. «Wir geben diesen Menschen nur ein Recht zurück.» Dabei wollen es gar nicht alle: Die liberale Oppositionspartei SaS befürchtet Schikane und politische Einflussnahme.

Peter Bardy (42), Chefredaktor von aktuality.sk, dem damaligen Arbeitgeber von Jan Kuciak, sagt dagegen: «Das Recht auf Antwort ist komplett schlecht. Politiker werden es missbrauchen.» Der einflussreiche slowakische Medienrechtler Tomas Kamenec (42) sagt: «Zeitungen sind nicht dazu da, Politikern zu helfen.»

Ficos Kampf gegen die Medien

Das Gesetz, davon gehen Beobachter aus, ist ein Schachzug von Robert Fico (54), Partei- und Fraktionschef der Smer-SD. Er war 2018 als Premier zurückgetreten, nachdem Zehntausende nach dem Mord an Jan Kuciak für Pressefreiheit und gegen Ficos Regierung demonstriert hatten. Sein Hass auf Journalisten, die er schon «antislowakische Prostituierte» nannte, blieb.

Erst vergangenen Dezember hatte er die Rückkehr zum «Recht auf Antwort» angekündigt. Denn die Medien hätten entschieden, «in den politischen Ring zu steigen». Am gestrigen Donnerstag legte Fico nach. «Ich habe vor ihnen keinen Respekt! Ich fürchte mich vor ihnen überhaupt nicht. Und ich bin bereit, diesen Kampf mit ihnen zu führen, so lange, wie es nötig ist», sagte er vor Journalisten.

BLICK weiss: Fico plant noch mehr für seinen Kampf gegen die Medien. Seine Partei diskutiert mit dem nationalistischen Koalitionspartner SNS darüber, einen «Presserat» einzurichten. Er soll vom Parlament gewählt werden und bestimmen, welche Artikel gegen Regeln verstossen, um dann Geldbussen zu verhängen.

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