Politik ist Teamarbeit. Das gilt für das ehemalige US-Botschafterpaar Suzi und Eric LeVine bis ins Private: Zusammen drängen sich die Ex-Diplomatin und der Unternehmer in Seattle (Washington) zum Video-Interview mit SonntagsBlick vor die Computerkamera. «Wir funktionieren so einfach viel besser», erklärt Suzi LeVine, unter Obama Botschafterin in Bern. «Vote» steht in weissen Lettern auf ihrem schwarzen Strickpullover.
Warten Sie auf den 3. November voller Angst – oder voller Hoffnung?
Eric LeVine: Definitiv Hoffnung. Die Umfragen stehen gerade sehr gut für Joe Biden.
Suzi LeVine: ... aber Umfragen wählen nicht, Menschen tun es. Und wir verlassen uns gerade auf nichts. Wir arbeiten hart und telefonieren rum und mobilisieren Freunde, Bekannte und Unbekannte. Jeder in unserem Umfeld macht dasselbe.
Vor vier Jahren haben Ihre Parteigspänli schon einmal gedacht, das würde reichen.
Suzi LeVine: Dass es für Biden so gut läuft, ist kein Zufall. Wir waren lange auf Barack Obama fixiert. Und haben dabei die ganze Parteistruktur darunter vernachlässigt. Seit 2016 haben Tausende daran gearbeitet, das zu ändern – das konnte man schon bei den Halbzeitwahlen sehen.
Glauben Sie, dass Donald Trump einen Biden-Sieg akzeptieren wird?
Eric LeVine: Er muss. Es wird Zoff geben, wenn es eng wird. Aber irgendwann gibt es ein klares Ergebnis. Es ist wichtiger, Menschen zum Wählen zu bringen, als sich darum zu sorgen, was passieren könnte.
Suzi LeVine: Ich sehe das wie Eric. Wir müssen sicherstellen, dass es am
3. November nicht knapp wird. Es braucht einen Erdrutschsieg.
Biden liegt in den landesweiten Umfragen rund zehn Prozentpunkte vorne. Wovon hängt sein Triumph noch ab?
Suzi LeVine: Vor allem von einer hohen Wahlbeteiligung. Beim letzten Mal hing es quasi an drei Staaten und 50'000 Stimmen. Wir müssen aufpassen, dass jede Stimme zählt. Dafür haben wir Tausende Freiwillige – nicht nur Türwahlkämpfer, sondern auch eine ganze Armee von Anwälten, die parat ist, sobald jemand Probleme beim Wählen hat.
Eric LeVine: Im Gegensatz zur Schweiz müssen sich die Wähler in den USA ja registrieren.
Suzi LeVine: In Kentucky haben die Republikaner eine ganze Gruppe aus dem Wählerregister geschmissen, weil sie eine Weile inaktiv war. Wir Demokraten haben landesweit Systeme aufgesetzt, um solche Aktionen automatisch zu entlarven. Wir gleichen sie ausserdem mit unseren Wählerverzeichnissen ab. Die «Rausgeschmissenen» sind überproportional Schwarze und Demokraten.
Eric LeVine: Die Demokraten in Kentucky haben dann Klage eingereicht und erreicht, dass die Wähler im vergangenen November wieder registriert waren – da wurde der neue Gouverneur gewählt. Eigentlich ist Kentucky klassisch republikanisch, der neue Gouverneur ist aber Demokrat. Nur 5000 Stimmen haben den Unterschied gemacht. Ähnlich sind wir in Wisconsin vorgegangen.
Suzi LeVine: Wir gehen immer davon aus, dass uns jemand Sand ins Getriebe schmeisst, und wir tun alles dafür, das Getriebe sofort wieder sauber und zum Laufen zu bringen.
Das klingt, als müssten Sie eher um die Rettung der Demokratie kämpfen, als um einen Biden-Sieg.
Suzi LeVine: Absolut. Ich glaube, unsere Zeit in der Schweiz hat uns noch mal ein ganz neues Verständnis für die Macht unseres Landes vermittelt. Das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück – das fühlen wir so tief. Es ist so grossartig, Bewegungen wie Black Lives Matter oder den Women's March zu sehen. Diese ganzen neuen Organisationen, die sagen: Genug ist genug.
Aber was, wenn Donald Trump es doch noch mal schafft? Was können wir von einer zweiten Amtszeit erwarten?
Eric LeVine: Jemanden, der sich weiter auf «America first» konzentriert – was vor allem «America alone» bedeutet.
Und von Biden?
Suzi LeVine: Ein international partnerschaftliches Verhalten, gerade auch im Kampf gegen den Klimawandel. Und im Hinblick auf eine Wirtschaft, die mehr Menschen nützt.
Was bedeutet das für die Schweiz?
Suzi LeVine: Wenn ich an die Produkte und Dienstleistungen denke, die die Schweiz hier baut und anbietet, dann nützt auch ihr eine starke Mittelklasse. Und ich sehe viel Potenzial, die Beziehungen der beiden Nationen zu verbessern, wenn ich daran denke, dass Trump aus dem Pariser Klimavertrag ausgestiegen ist, den die Schweiz zuerst unterzeichnet hat …
Die Beziehung schien die letzten Jahre prima. Man denke an Ueli Maurers Besuch im Weissen Haus oder Ivanka Trump, die sich mit Johann Schneider-Ammann über Ausbildungsprogramme ausgetauscht hat.
Suzi LeVine: Wissen Sie eigentlich, dass das mit Dr. Jill Biden begonnen hat – Joes Frau? Sie ist ja Lehrerin und hat in Winterthur an einer Konferenz teilgenommen. Das war der Startschuss für das Abkommen mit 30 Schweizer Firmen, ihre Ausbildungsprogramme in die USA zu bringen. Im Sommer 2015 wurde die Joint Declaration of Intent unterzeichnet, um die Zusammenarbeit in der Berufsbildung zu fördern. Ich bin froh, dass die Trump-Regierung das fortgeführt hat.
Ist das ein Lob für Trump?
Suzi LeVine: Na ja, die Republikaner haben es auf ihre Weise gemacht. In der Schweiz gibt es etwa für eine Ausbildung zum Polymechaniker nationale Standards. Statt vom Schweizer Berufsbildungsmodell zu lernen, hat Trump Firmen animiert, jeweils eigene Programme zu etablieren.
Die Demokraten Suzan und Eric LeVine (beide 50) lebten mit ihren beiden Kindern (15 und 18) von 2014 bis Januar 2017 in Bern. Die studierte Ingenieurin Suzan LeVine war in dieser Zeit US-Botschafterin – ihren Amtseid legte sie auf einem E-Reader ab. Heute leitet sie die Arbeitsagentur im Staat Washington. Ihr Ehemann Eric ist Unternehmer.
Die Demokraten Suzan und Eric LeVine (beide 50) lebten mit ihren beiden Kindern (15 und 18) von 2014 bis Januar 2017 in Bern. Die studierte Ingenieurin Suzan LeVine war in dieser Zeit US-Botschafterin – ihren Amtseid legte sie auf einem E-Reader ab. Heute leitet sie die Arbeitsagentur im Staat Washington. Ihr Ehemann Eric ist Unternehmer.