Auch nach der Enteignung der Besitzerin des Hitler-Hauses ist die Zukunft des Gebäudes im österreichischen Braunau am Inn unklar. Demnächst wird ein Urteil zum Wert der Immobilie erwartet. Ein erster Schritt auf einem wohl noch längeren Weg.
Im Rechtsstreit um Hitlers Geburtshaus strebt der Anwalt der ehemaligen Hausbesitzerin eine millionenschwere Entschädigung wegen der Enteignung an. «Ziel sind ganz klar 1,5 Millionen Euro», bekräftigte der Salzburger Rechtsanwalt Gerhard Lebitsch. Ein Gutachter hatte beim Prozess vor dem Landesgericht Ried im Innkreis für die Immobilie eine Wertspanne von 810'000 Euro bis 1,5 Millionen Euro ermittelt. Ein Urteil wird laut Gerichtssprecher «wahrscheinlich im Januar» gefällt.
Kaufpreis von 310'000 Euro
Die Republik Österreich hatte der Hausbesitzerin bisher 310'000 Euro für das zweistöckige Haus samt Garagen und Parkplatz bezahlt. Das sei viel zu wenig, meint der Anwalt. «Beim Parkplatz handelt es sich um die einzige nennenswert grosse innerstädtische Parkfläche», sagte Lebitsch der Deutschen Presse-Agentur. Ausserdem berücksichtige die bisherige Entschädigung den besonderen Wert nicht, der sich aus der Höhe früherer Mietzahlungen und dem Charakter als historischer Ort ergebe. Lebitsch geht davon aus, dass der Rechtsstreit so oder so in die nächste Instanz geht.
Eine juristische Klärung ist nach bisherigen Angaben aus dem Innenministerium eine Voraussetzung zur Einleitung eines internationalen Architektenwettbewerbs. Dieser soll nach Empfehlung einer Historikerkommission eine «tiefgreifende Umgestaltung» des Gebäudes einleiten. Die Republik will verhindern, dass das Geburtshaus des späteren Diktators zu einer Pilgerstätte für Neonazis werden könnte. Adolf Hitler (1889-1945) hatte seine ersten Lebensmonate in einer Wohnung des Hauses verbracht.
Die Ex-Eigentümerin des Geburtshauses von Hitler klagt darüber hinaus vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Enteignung. Eine entsprechende Klage sei seit Längerem eingebracht, sagte Lebitsch. Ob sich das Gericht überhaupt dieses Falls annehme, ist aber auch aus Sicht des Anwalts fraglich.
«Veränderung bringt nichts»
«Alle wären froh, wenn es endlich eine Entscheidung gäbe», sagt Florian Kotanko vom örtlichen Verein für Zeitgeschichte. Er wäre dafür, dem Rat der Historiker nicht zu folgen und auf die äussere Umgestaltung zu verzichten. «Jede Veränderung bringt in diesem Sinne nichts, weil sie die Geschichte nicht verändert», meint Kotanko. Aus seiner Sicht wäre es gut, im Haus einen der Räume als Ort für mahnende Erinnerung einzurichten. «Das wäre eine Option.»
Hauptnutzer des Gebäudes könnte wieder die Lebenshilfe mit ihrer Behindertenwerkstätte werden. Die Werkstätte war jahrzehntelang in dem Hitler-Haus untergebracht. Im Streit über notwendige Sanierungen zog die Lebenshilfe aus. Seit 2011 steht das Gebäude in der 16'000-Einwohner-Stadt direkt an der Grenze zu Deutschland leer. Im Januar 2017 wurde die Alpenrepublik durch Enteignung neuer Besitzer der Immobilie. (SDA)